Jahresregister 2021

Schwerpunkte

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spw 247 – 06/21

Gewerkschaftliche Erneuerung jenseits von Schockstarre und Niedergang

In dieser Weihnachtszeit haben die Paketboten mit den Auslieferungen von Amazon und Zalando alle Hände voll zu tun. Beim Einkauf vergessene Lebensmittel liefert schnell noch der Gorillas-Fahrer an die Haustür. Und in Grünheide rollen die ersten Teslas vom Band. Amazon, Gorillas und Co. mögen von den Konsument:innen durch die rosarote Brille betrachtet werden, weniger rosig sieht es hingegen mit den Arbeitsbedingungen und Rechten ihrer Beschäftigten aus. Nach dem Weihnachtsgeschäft werden viele Beschäftigte bei den Versandhändlern schlicht wieder entlassen.
Die neuen Player der Plattformökonomie sind – bislang – keine Hochburgen der gewerkschaftlichen Stärke und es wird zu einer Schlüsselfrage der gewerkschaftlichen Erneuerung, ob und wie die Durchsetzung gewerkschaftlicher Wirkungsmächtigkeit bei den symbolträchtigen Playern der 2020er Jahre gelingen wird oder eben nicht.


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spw 246 – 05/21

Die Zukunft der SPD – wie weiter nach der Bundestagswahl?

Die Bundestagswahl 2021 hat nach acht Jahren Regierungsbeteiligung der SPD in einer Großen Koalition eine große Bedeutung für den weiteren Kurs und die Entwicklung der SPD. Der überraschende Wahlsieg am 26. September 2021 stabilisiert die Partei nach der jahrelangen Krise, in der die Bundespartei nicht erst seit der Wahlniederlage 2017 steckte. In den zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe gerade begonnenen Koalitionsverhandlungen ist aber noch offen, inwieweit eine von der SPD, den Grünen und der FDP angedachte „Fortschrittskoalition“ wirklich zustande kommt und wenn ja, welche politische Agenda sie letztlich verfolgen wird. Die Koalitionsbildung steht auch im Zeichen der Corona-Krise, die viele Entwicklungen und Umbrüche in Wirtschaft und Gesellschaft der vergangenen Jahre zugespitzt und beschleunigt hat. Inwieweit diese den Wandel der gesellschaftlichen Gruppen, ihrer Haltungen, Werte und Ansprüche, sowie letztlich ihren Wahlverhalten beeinflusst, lässt sich erst in Ansätzen erfassen.


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spw 245 – 04/21

Bausteine eines europäischen Wirtschaftsmodells im digitalen Kapitalismus

Spätestens seit Dan Schillers Buch „Digital Capitalism“ aus dem Jahr 1999 ist der Diskurs über den digitalen Kapitalismus auf der polit-ökonomischen Agenda (Schiller 1999). Die Zeitschrift SPW hat sich in diesen Diskurs seit dem ersten Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 2017 zum „Digitalen Kapitalismus“ eingebracht und sich seither mit eigenen Ausgaben und Artikeln zu diesem Thema positioniert. Gleichwohl sind wir selbst, was eine Theorie des digitalen Kapitalismus betrifft, noch nicht weit über den Status erster, vorläufiger Begriffsbestimmungen hinausgekommen. Eine konsistente Theorie des digitalen Kapitalismus steht noch aus. Wir begnügen uns daher auch anlässlich des diesjährigen Schwerpunktthemas mit der Arbeitshypothese, dass der digitale Kapitalismus eine spezifische Etappe der kapitalistischen Entwicklung ist, die auf einem differenzierten System von Plattformen und anderen digitalen Technologien gründet, die die Generierung von Profiten aus der Gewinnung und Nutzung von Daten ermöglicht. Dieser technologischen Basis entspricht ein noch im Entstehen begriffenes Set von institutionellen Arrangements, das die ökonomische Tragfähigkeit dieses Modells gewährleistet. Ebenso wie sich der Fordismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur hegemonialen Prosperitätskonstellation in den westlichen Industrieländern entwickelte, kann der digitale Kapitalismus im 21. Jahrhundert ein spezifisches politisch-ökonomisches Entwicklungsmodell des modernen Kapitalismus werden (Brandt 2019)


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spw 244 – 03/21

Systemfragen des Gesundheitswesens

Zu den wichtigsten politischen Erfahrungen der Pandemie zählt, dass Gesundheits- und Krankheitschancen sozial gebunden und ungleich verteilt sind, dass es im deutschen Gesundheitswesen nicht an Markt, sondern an Plan und Vernetzung mangelt, und dass der öffentliche Gesundheitsdienst und die bevölkerungsbezogene Gesundheitsforschung substanziell gestärkt werden müssten. Weiteren Fragestellungen aus der Pandemie wird sich spw in einer politischen Bilanz der Corona-Krise widmen. Dazu gehört die Rolle der gesellschaftlichen Kommunikation über Gesundheit. Zu diskutieren wird dann auch sein, in wie weit und warum in links-alternativen Milieus Positionen anschlussfähig sind, die mit Impfgegnerschaft, Homöopathie und Wunderglauben sowie Sozialdarwinismus gegen störende „Risikogruppen“ eine extreme Individualisierung von Gesundheit und einen aggressiven Diskurs gegen Wissenschaftlichkeit und Professionalisierung betreiben. In diesem Schwerpunkt greifen wir verschiedene Aspekte der Pandemie erneut auf, richten den Blick aber darüber hinaus auf die neuen Normalitäten, die das deutsche Gesundheitswesen in der kommenden Wahlperiode annehmen wird und sollte.


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spw 243 – 02/21

Wohlfahrtsstaatliche Pfade und soziale Ungleichheit in Europa

Aktivierender Sozialstaat, marktbasierte Eigenverantwortung und später auch Austerität waren die zentralen Paradigmen, die seit Ende der 1990er Jahre die Sozial- und Arbeitsmarktpolitiken innerhalb der EU prägten. Hiernach galt Gleichheit nicht mehr als Angleichung von Lebensverhältnissen, sondern als Gewährleistung von Chancengleichheit: „Soziale Sicherung für alle Erwerbsfähigen sollte primär über die aktive Teilhabe am Arbeitsmarkt erfolgen.“ Mit dem Diskurs der Eigenverantwortung wurden Teile der sozialen Sicherung, u.a. der Alterssicherung, in private Vorsorgesysteme umgewandelt. Anstelle von sozialen Transfers sollte in Bildung und soziale Dienstleistungen investiert werden. Durch Investitionen auch in frühkindliche Bildung sollte die Erwerbstätigkeit von Frauen steigen. Trotz wirtschaftlichem Wachstum wuchs zugleich die soziale Ungleichheit, u.a. auch in Deutschland. Zudem führte die Austeritätspolitik zu Einsparungen in der sozialen Infrastruktur. Diese insgesamt marktliberale Dynamik verlief jedoch nicht einheitlich, sondern abhängig von wohlfahrtsstaatlichen Pfaden und deren jeweiligen Logiken.


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spw 242 – 01/21

ChinAmerika – und die EU? Konturen und Gestaltung einer neuen Weltordnung

Alte Gewissheiten gelten nicht mehr. Die ökonomische und politische Weltordnung verändert sich in dramatischer Geschwindigkeit. Das nach dem Ende des „Realen Sozialismus“ zu Beginn der 90er Jahre ausgerufene „Ende der Geschichte“ dauerte nur kurze Zeit. Die propagierte unilaterale Weltordnung unter Führung der in der Systemkonkurrenz überlegenen USA hat an Strahlkraft verloren. Die westliche Lebensweise, die bürgerliche Demokratie wie auch die liberalen Freiheitsrechte werden auch in der EU durch die neue Rechte und autoritäre Regierungen herausgefordert. Die Erstürmung des Capitols durch aufgestachelte Trump-Anhänger hat zudem verdeutlicht, wie demokratische Institutionen in den USA unter Druck geraten sind. Dies hat international auch die Glaubwürdigkeit und Attraktivität der amerikanischen Demokratie erheblich beschädigt. Zugleich haben sich die Mobilisierungen progressiver Bewegungen verstärkt und zur Abwahl Trumps beigetragen. Neue Formen wie etwa der „chinesische Staatskapitalismus“, „illiberale Demokratien“ (wie in Ungarn oder Polen) sowie autokratische Regime, wie etwa in Russland, der Türkei oder Brasilien, stellen den Führungsanspruch „des Westens“ offensiv in Frage. Gleichzeitig ist die ökonomische Dominanz der USA im Verbund mit der EU deutlich relativiert.