Jahresregister 2001

Schwerpunkte

spw 122 – 06/01

Terror & Krieg

Ist seit dem 11. September wirklich alles anders geworden? Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn wir die verschiedenen Problembereiche entmischen, um sie kritisch zu analysieren und dann neu zusammenzusetzen. Im Gegensatz zu früheren Formen politischer Gewalt, die sich zumeist gegen ausgewählte Repräsentanten des zu bekämpfenden Systems richtete, hat sich im letzten Jahrzehnt verstärkt eine Strategie entwickelt, bei der es um eine möglichst große Zahl von Opfern unter geplanter Inkaufnahme des eigenen Todes geht. Im Mittelpunkt steht nicht der Anschlag, mit dem eine politische Forderung (welcher Natur auch immer) durchgesetzt werden soll, sondern der Akt der Opferung selbst wird zum Fokus des Attentats. Politische Gewalt wird zu Terrorismus, wo die Zerstörung von möglichst vielen Menschenleben die eigentliche Botschaft wird. Wohnte ersterem eine wenn auch verquere und menschenverachtende vorgebliche Rationalität inne, so dominiert in zweitem die Irrationalität einer religiösen Mystifizierung.


spw 121 – 05/01

Bildung

Bildungspolitik ist inzwischen dabei aus der Nische der Fachpolitik herauszuwachsen und zu einem gesellschaftspolitischen Schlüsselthema zu werden, in dem sich die großen gesellschaftlichen Konfliktlinien bündeln. Im Zeichen der Diskussion um Informations- und Wissensgesellschaft wird Bildung zur entscheidenden Produktivkraft. Dabei erleben wir den Wettlauf der großen Kapitalien sich die Wissenspotentiale des Einzelnen und das geistige Eigentum anzueignen. Bei diesem Wettlauf werden gesellschaftliche Regulierungen des Arbeitsprozesses als Hemmnis empfunden. Dieser Wettbewerb, der die bildungspolitische Debatte in Deutschland erreicht, hat. wie das Beispiel der Green-Card für Computerspezialisten zeigt, internationale Dimensionen. Vor allem über die Bertelsmann-Stiftung und die Max-Planck-Gesellschaft werden über internationale Vergleiche von Schülerleistungen und Propagierung angelsächsischer Praxis des Wettbewerbs zwischen Schulen Marktelemente in die bildungspolitische Diskussion eingebracht, bis hin zu Forderungen nach Privatisierung des Bildungswesens.


spw 120 – 04/01

Kollege Proteus

Jeder sei seines eigenen Glückes Schmied – lautete eine der Verheißungen, mit denen Neoliberalismus und -konservatismus in den 1970er Jahre gegen die sozialstaatliche Reformpolitik der Sozialdemokratie zu Felde zog. Gleichzeitig stellte die Sozialforschung fest, dass eine Ausweitung der sozialen Sicherheit. größere Entfaltungsmöglichkeiten des Individuums und die schrittweise Emanzipation von der bis dato sozialen Gebundenheit der Biographien mit sich brachte. Parallel, wenn auch nur lose verkoppelt mit dem politischen Prozess, verläuft seit etwa zwanzig Jahren ein Wandel in der produktiven Basis des Kapitalismus, der eine Tendenz zur Formveränderung der Arbeitsverhältnis-se in eine neo-tayloristische Arbeitsorganisation einerseits und andererseits einer quasi-eigenständigen Arbeitsgestaltung bis hin zum selbstständigen Arbeitskraftunter- nehmer) beinhaltet.


spw 119 – 03/01

Der nordische Weg

Am 31. März 2001 veranstaltete ,,ProMS Nord” eine Tagung im Kieler Landeshaus, um die Frage zu bearbeiten, ob die skandinavischen Staaten einen besonderen Weg des sozialstaatlichen Umbaus gehen bzw. gegangen sind und was davon gegebenenfalls zu lernen sei. Mit dieser Tagung setzt der regionale Arbeitszusammenhang aus dem Umfeld der spw einen sozialpolitischen Diskurs fort, den wir auf der spw-Herbsttagung 2000 in Dezember (vgl. die Dokumentation der wesentlichen Beiträge in spw 117, 1/2001) mit Wissenschaftlerlnnen und Politikerlnnen unterschiedlicher Provenienz begonnen haben. Die Debatte verblieb in Hannover jedoch – trotz Eingeständnis von Globalisierungstendenzen – letztlich im nationalstaatlichen Raum. Ohnehin ist es problematisch, sich andere Länder zum ,,Vorbild” zu nehmen. Derartige Modelle sind häufigen Konjunkturen unterworfen und dienen nur allzuoft der Legitimation von Positionen, für die sich keine Begründung aus dem eigenen (nationalstaatlichen) Umfeld findet.


spw 118 – 02/01

Zukunft der Stadt

Städte sind leistungsfähige und komplexe Systeme: Sie sind Laboratorien und Experimentierfelder, häufig Abbilder der Zukunft. Sie sind Kristallisations- punkte kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung. Hier entstehen innovative Milieus, die Neues aushecken. Wo sonst als in den großen Städten finden sich so viele kulturelle Angebote auf engstem Raum, wird so viel Wissen angehäuft. Gleichzeitig sind Städte große Integrationsmaschinen, denken wir nur an die klassischen Einwandererstädte in Nordamerika. Kulturelle Vielfalt findet sich auf engstem Raum, in der funktionierenden und lebendigen Großstadt ist viel Platz für Leute, die ,,anders” sind. Dies alles hat zur Faszination und zum Wachstum der großen Städte beigetragen. In den letzten Jahren hat sich die Aufmerksamkeit jedoch vermehrt auf die Krise der Städte gerichtet. Die zunehmende soziale Polarisierung bildet sich in den Großstädten schärfer ab als anderswo, das komplexe System der Stadt droht in vielen Vierteln aus den Fugen zu geraten.


spw 117 – 01/01

Moderne Sozialpolitik

Der vorliegende Heftschwerpunkt dokumentiert Referate und Diskussionsergebnisse der Tagung ,,Umbau statt Abbau – Beiträge für eine moderne Sozialpolitik”, die die spw am 9. Dezember 2000 in Zusammenarbeit mit Bundesverband und Landesverband Niedersachsen der Jusos in der SPD sowie dem Zukunftsforum HKS 13 in Hannover veranstaltet hat und an der rund 100 Personen teilgenommen haben. Sozialpolitik ist modern: Das ist die Ausgangsthese, mit der die Redaktion der spw an die Diskussion herangegangen ist. Die Umbrüche des Kapitalismus, in dem sich auf der Basis von Informations- und Kommunikationstechnologien und internationalen Güter- und Finanzmärkten neue Strukturen der Akkumulation von herausbilden, braucht nicht weniger Sozialstaat, sondern einen aualitativ erneuerten Sozialstaat. Und das ist keineswegs der ausgedünnte ,,schlanke” Sozialstaat, den neoliberale Ideologen als Konsequenz von Globalisierung und ,,new economy” predigen, sondern ein Sozialstaat, der neue Aufgaben zu bewältigen hat.