Jahresregister 2000

Schwerpunkte

spw 116 – 06/00

Verpasste Chancen

Das Ende der Blockkonfrontation geht ins nunmehr zweite Jahrzehnt. Zeit also für eine Bilanz der vergangenen Dekade und den Blick auf die gegenwärtigen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen. Konkret gefragt: Was ist aus den Hoffnungen auf die Friedensdividende und den ,,Weltfrieden“ geworden? Die Antworten der vier Autoren fallen zum Teil sehr verschieden aus. Alle gemeinsam werfen eine Reihe zusätzlicher und komplexer Fragen auf. Enttäuschter Rückblick dominiert, bleibt aber nicht ohne Hoffnung. Alle Autoren suchen gemeinsam nach einem gesellschaftlichen Resonanzboden und fordern die Zeitgenossen zur Diskussion auf. Gerade letzteres muss stutzig machen – und deutet zugleich ein Paradoxon an, das weit über die Fragen von Außen- und Sicherheitspolitik hinausgeht.


spw 115 – 05/00

Halbzeit für Rot-Grün

Es gibt Tage, da sind wir plötzlich erleichtert oder sogar froh über die rot-grüne Regierung in Berlin. Tage, an denen sich der Kanzler und Kabinett vor die Kamera stellen und felsenfest sagen: „die Ökosteuer bleibt, daran führt kein Weg vorbei.“ Es gibt andere Tage, da würde man am liebsten im Erdboden versinken oder spontan dem nächsten erreichbaren Unterbezirksgeschäftsführer das eigene Parteibuch vor die Füße knallen. Tage, an denen der lnnenminister posaunte: „das Boot ist voll“ oder die Nettolohnbindung der Rente vorläufig aufgehoben wurde. Halbzeit in Berlin, Zeit für spw, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Oben genannte Beispiele und auch die in diesem Schwerpunkt veröffentlichten Beiträge zeigen bereits, dass es nicht einfach ist zu entscheiden, ob das Glas mit roter und grüner Berliner Weiße nun halb leer oder halb voll ist. Die Sache ist äußerst ambivalent. Je nach Perspektive.


spw 114 – 04/00

Neue Dienstleistungsberufe

Der Beginn des neuen Jahrhunderts markiert zu gleich den Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, so oder ähnlich heißt es nahezu übereinstimmend in Medien, Institutionen, Parteien etc. Dienstleistung ist zum zentralen Begriff der gesellschaftlichen Debatte geworden, nachgerade zum Synonym für das 21. Jahrhundert, in dem sich unsere Arbeits- und Lebenswelt nach Einschätzung der Fachwelt dramatisch verändern wird. Und dennoch: Kratzt man an der Fassade großer Übereinstimmung, so wird ein Begriff freigelegt, der einige Unschärfen aufweist. Überdies zeigt sich, daß die Dienstleistungsgesellschaft ein großes begriffliches Gefäß darstellt, in das durchaus konträre Konzepte mit jeweils sehr unterschiedlichen Interessen gegossen werden.


spw 113 – 03/00

Parteien und Populismus

Bereits mehrfach hat uns in den letzten Heften das Thema beschäftigt, in wie weit sich das politische System verändert. Zuletzt hatten wir dazu einen Schwerpunkt ,,Politik im Wandel“ für das zurückliegende November-Heft (spw 110) konzipiert. Seitdem haben sich Veränderungsprozesse sowohl konkretisiert als auch beschleunigt: Mit dem Finanzskandal der CDU, der die „law and order“-Vorstellungen ebenso erschütterte wie den ohnehin schon lange angekratzten christlich-moralischen Wertekanon, wurde der Umgestaltungsprozess der großen konservativen Volkspartei befördert. über Kohls Hausmeier, dem ,,ewigen Nachfolger“ Schäuble, war das paternalistische System Kohl zusammengebrochen, während sich die langjährige Ministerin Merkel durch frühzeitige Absetzbewegungen aus dem Sog befreien konnte, den der implodierende schwarze Riese erzeugt hatte.


spw 112 – 02/00

Arbeit und Demokratie

Die industriellen Beziehungen, die Formen und Verhältnisse, unter denen Arbeitskraft innerhalb von Betrieben oder unmittelbar am Markt angewendet und kapitalistisch verwertet wird, unterlaufen gegenwärtig Prozesse tiefgreifenden Wandels. Zentrale Bedingungsfaktoren dafür sind zum einen die fortschreitende Internationalisierung der Ökonomie, insbesondere der großen Aktiengesellschaften, und die wachsende Bedeutung der internationalen Finanzmärkte. Die Stichworte ,,Shareholder-Value“ und ,,feindliche Übernahme“ werfen Schlaglichter auf die damit zusammenhängenden Probleme und Konflikte. Zum anderen sind es die insbesondere von den Informations- und Kommunikationstechniken geprägte Flexibilisierung und der zunehmende Dienstleistungscharakter der Produktion, die die ökonomischen und Arbeitsbedingungen verändern.


spw 111 – 01/00

Moderne Zeiten

Man muss nicht vom Millenniums-Fieber ergriffen sein, um festzustellen, dass die Zeiten sich ändern. Auch wenn nach unserer Zeitrechnung das 21. Jahrhundert erst am 1. Januar 2001 beginnt, so erscheint uns das 20. Jahrhundert bereits als Vergangenheit. Dieses Jahrhundert war wie kein anderes durch den Umgang mit der Zeit geprägt. Der Faktor Zeit spielte eine Hauptrolle bei der Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsleben, bei der Entstehung von Philosophie und Politik sowie bei der Ausprägung von individuellen Lebensentwürfen. ,,Beschleunigung“ hieß das Zauberwort des 20. Jahrhunderts: die industrielle Entwicklung war ohne beständige Zeiteinsparung im Produktionsprozess nicht denkbar, räumliche Distanzen wurden immer schneller überwunden, Kommunikation wurde von Raum und Zeit gänzlich entkoppelt. Im privaten Raum wurde der Satz ,,Ich habe keine Zeit.“ zur vermeintlichen Garantie für ein ausgefülltes und selbstbestimmtes Leben – die Zeit war komplett verplant. Genügend Zeit hatten nur Kinder, Rentner oder Arbeitslose …