Jahresregister 2017

Schwerpunkte

spw 223 – 06/17

Das Netz als politisches Kampf- und Konfliktfeld

Kürzlich wurde eine Sequenz im Internet viral, deren Unterhaltungswert nicht vom Ernst des Themas ablenken sollte. Vertreter von Facebook, Google und Twitter waren vom US-Senat vorgeladen, um sich zu einer mutmaßlichen russischen Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 über ihre Plattformen zu äußern. Der demokratische Senator Chris Coons fragte den Justiziar von Facebook ungläubig, warum Facebook elf Monate gebraucht habe, sich zu melden und ihnen beim Verstehen des Ausmaßes dieses Problems zu helfen. Warum sei ein Unternehmen, hakte Coons nach, dessen Geschäftsmodell darauf basiere, Daten zu sammeln und auszuwerten, das also die besten Datenanalysten der Welt beschäftige, nicht in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen? Warum seien Wahlspots gegen Hillary Clinton, die in Rubel bezahlt wurden, nicht als mögliche russische Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf identifiziert worden? Das sei nicht so eindeutig, antwortete der Justiziar – die Chefs der Plattformen waren gar nicht erst angereist, um Stellung zu beziehen.


spw 222 – 05/17

Solidarische Arbeitsgesellschaft

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir einen grundlegenden Wandel unserer Arbeitswelt und Gesellschaft erlebt. Auf der Ebene der sozialen Milieus lässt sich u.a. ein wachsendes Bedürfnis nach mehr Autonomie und Selbstbestimmung beobachten. Gestiegene Ansprüche an die demokratische Teilhabe am Arbeitsplatz und in der Politik geraten in weiten Teilen in einen Widerspruch zu den ökonomischen Dynamiken. Die moderne Arbeitnehmermitte be- und verarbeitet diese Spannung mehrheitlich nicht mit einer individualistischen Ellenbogenstrategie. Sie erlebt wachsenden Arbeitsdruck, Unsicherheit oder autoritäre Hierarchien vielmehr auch als Beschneidung ihrer materiellen und zeitlichen Ressourcen, die sie braucht, um ihren Arbeitsalltag demokratischer und solidarischer gestalten zu können.


spw 221 – 04/17

Europäische Sozialdemokratie – zwischen Krise und Erneuerung?

In Rückblicken dürfte besonders das Jahr 2017 eine Phase historischer Zäsuren der europäischen Sozialdemokratien markieren. Wie in einem Zeitraffer vollziehen sich grundlegende Veränderungen und Brüche, die zum Teil bis vor Kurzem noch als undenkbar galten. Mit dem vorliegenden Heftschwerpunkt möchten wir die Entwicklungsdynamiken verschiedener Formationen der europäischen Sozialdemokratie besser verstehen und Möglichkeiten für politische Lernprozesse der deutschen Sozialdemokratie aufzeigen. Hierbei geht es uns natürlich auch und gerade darum, die Ergebnisse der unmittelbar bevorstehenden Bundestagswahl nicht in nationaler Beschränkung, sondern in einem europäischen bzw. internationalen Kontext zu bewerten.


spw 220 – 03/17

Aktuelle Kapitalismusanalysen – neuer Kapitalismus im Zeitalter der Digitalisierung?!

Im Anschluss an die große Krise 2008/2009 gab es eine Renaissance kapitalismuskritischer Debatten über die engere politische Linke hinaus. Diese Debatte ist aber bald wieder weitgehend aus der breiteren Öffentlichkeit verschwunden. Zumindest in Deutschland ist sie mit der raschen wirtschaftlichen Erholung und den aktuell günstigen Wirtschaftsdaten wieder leiser geworden. Nichtsdestotrotz wurde im Zuge der Krise 2008/2009 deutlich, dass das reibungslose Funktionieren des neoliberal-finanzmarktdominierten Kapitalismusmodells der Jahrtausendwende an seine Grenzen gestoßen ist. Die danach einsetzende Entwicklung hat vor allem eine extrem große Unterschiedlichkeit der wirtschaftlichen und sozialen Dynamik in unterschiedlichen Ländern Europas und den übrigen industrialisierten Ländern sowie den Schwellenländern hervorgebracht. Parallel hat sich mit der Digitalisierung und der Ausbreitung des Internets seit der Jahrtausendwende eine technologische Entwicklung vollzogen, die viele von einer vierten industriellen Revolution in den Industrieländern sprechen lässt (Industrie bzw. Wirtschaft 4.0).


spw 219 – 02/17

Branchen im Umbruch

Laut einer aktuellen Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) wächst das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2017 um 1,3 Prozent. Im kommenden Jahr sollen es 1,8 Prozent sein. Auch wenn die Zuwächse im historischen Vergleich damit eher auf einem niedrigen Niveau liegen, so geht es mit der Wirtschaftskraft in Deutschland seit dem Konjunktureinbruch im Jahr 2009 in Folge der Finanzmarktkrise wieder stetig bergauf. Insoweit herrscht Stabilität. Auf den ersten Blick lassen sich in der Wirtschaftsentwicklung keine großen Auffälligkeiten oder gar Strukturbrüche erkennen.


spw 218 – 01/17

Linke Strategien für Europa

Es könnte alles so schön sein. Wenn sich im März 2017 die Unterzeichnung der Römischen Verträge zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) durch die sechs Gründerstaaten zum 60sten Mal jährt, hätte man zurückblicken können auf einen erfolgreichen Integrationsverlauf. Ein Prozess mit Höhen und Tiefen zwar, aber in der Summe die 1957 gesteckten und viele weitere Ziele der „ever closer union“ unter der positiven Anteilnahme der Bürgerinnen und Bürger erreichend. Stattdessen werden die Europäischen Institutionen ebenso wie die Staats- und Regierungschefs zu den geplanten Feierlichkeiten die historische Rückschau zur Warnung vor Zerfall, Separation und Sezession in der heutigen EU nutzen.