Jahresregister 1988

Schwerpunkte

spw 44 – 06/88

FrauenFragen

Im letzten Jahr wurde von der Zeitschrift EMMA die PorNo-Kampagne eröffnet, um eine ermattete und zersplitterte Frauenbewegung unter einer zentralen Fragestellung zu sammeln und zu stärken. Die seitdem noch lange nicht beendete Diskussion hat jedoch die Diffe­renzen innerhalb der Frauenbewegung eher noch verdeutlicht und zugespitzt als zur Verein­heitlichung beigetragen. Längst hat sich die Frauenbewegung in vielfältige Positionen aus­differenziert, die jede für sich in den unterschiedlichsten Bereichen Auseinandersetzungen fuhren und auch Teilerfolge erringen, eine verbindende politische Strategie ist hingegen nur schwer zu erkennen. Aus der Frauenfrage sind Frauenfragen geworden.


spw 43 – 05/88

Sport. Politik. Umwelt

Sport — Am 11. September vor fünfzehn Jahren errichteten die chilenischen Obristen ihr Terrorregime. Das Fußballstadion von Santiago war Pinochets zentrales Konzentra­tionslager. Die Funktionsträger der Unidad Populär wurden dort zusammengetrieben, bevor sie in die Wüsteneien des Landes deportiert wurden. Wir wissen um die Grau­samkeiten, die dort verübt wurden. — Wolf Biermanns Bericht über ein »Heimspiel« erinnert daran, daß die Dinge hierzulande anders liegen: das war ein Heimspiel / dichter / wurd das Getümmel vorm Tor / als der Schiedsrichter / pfiff / und griff / nach der Roten Karte und / als er dann spitz / mit dem Finger auf den 11-Meter- / Punkt wies / ging’s rund! / da stieß / ein Gezeter / vom Rang herab; / Müller nach Auschwitz! / Müller-nach-Au-schwitz / auch wenn es sich ab / und zu reimt — dies hier ist ein / Bericht / kein / Gedicht/. (W. Biermann; Eins in die Fresse, mein Herzblatt, 1980)


spw 42 – 04/88

Die andere Zukunft der IG Metall

Die Schärfe der Debatte über die Vorschläge von Lafontaine hat es deutlich gemacht: Zwischen großen Teilen der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften hat sich ein Konfliktpotential angehäuft, das sich durchaus nicht nur auf die Frage einer Arbeits­zeitverkürzung mit oder ohne vollen Lohnausgleich beschränkt. Die Vorwürfe werden wechselseitig erhoben: Kritisieren Gewerkschafter — durchaus zu Recht —, daß die maßgeblichen Sozialdemokraten längst von jeder wirksamen Umverteilungspolitik ab­gerückt sind, so werden in sozialdemokratischen Kreisen u.a. die Unbeweglichkeit der gewerkschaftlichen Apparate, ihre Bürokratisierung, ihr Festhalten an veralteten Indu­strien, ihre Orientierung auf materielle Erfolge ohne Rücksicht auf die Umwelt kri­tisiert.


spw 41 – 03/88

SPD-DGB

Der 8. Mai 1988 zeigte die Linke auf der Siegerstraße: überragende Wahlsiege von Björn Engholm in Schleswig-Holstein und von François Mitterrand in Frankreich. Das jahrelange Gerede über die Krise der europäischen Linksparteien, das von manchem Konservativen genüßlich eingeläutete Ende des sozialdemokratischen Zeitalters — ein leerer Spuk? Spätestens der zwei Tage darauf erfolgte Rücktritt des Ersten Hamburger Bürgermeisters von Dohnanyi kühlte die Sinne etwas ab. Aber auch am Wahlabend selbst stellten die Beobachter heraus, wie stark Wahlerfolge der Linken im Moment der Schwäche der Rechten geschuldet sind, mahnten die Kommentatoren an, daß diese Er­folge keineswegs als Zustimmung der Bevölkerung für sozialistische Projekte ver­standen werden dürften. So steuert Mitterrand denn auch die Schaffung einer zur »Mitte« geöffneten politischen Formation an, will bürgerliche Schichten in seine Po­litik einbinden. Ebenso ist Engholm krampfhaft bemüht, die Erwartungen an seine Re­gierungstätigkeit möglichst tief herunterzudrücken.


spw 40 – 02/88

125 Jahre SPD

Trotz allen Streits über die Frage, ob die »eigentliche« Geburtsstunde der deutschen So­zialdemokratie nicht einige Jahre früher — mit dem Manifest der beiden Londoner — oder später — 1869 in Eisenach — geschlagen habe, ist doch unzweifelhaft, daß am 23. Mai 1863, mit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, sich die Ar­beiterbewegung als selbständige politische Partei konstitutierte, »die Klassenpartei des deutschen Proletariats« — wie Rosa Luxemburg in ihrem Erinnerungsartikel schrieb — »aus der Taufe gehoben wurde«. Wir dokumentieren Rosa Luxemburgs vor 75 Jahren zum ersten Mal publizierten Geburtstagsartikel »Nach 50 Jahren«, weil er eine Haltung vorführt, die auch heute nicht immer selbstverständlich ist: Die Genossinnen und Ge­nossen nicht an ihrer »Linie«, sondern an ihren Taten zu messen.


spw 39 – 01/88

Die Rechte im Umbruch – Chance für die SPD?

Die jüngsten Wahlniederlagen der Union haben die Auseinandersetzungen um den zu­künftigen Weg von CDU/CSU neu angefacht. Da steht Geißlers Lagertheorie einer vor allem von der CSU geforderten Unabhängigkeit von der FDP gegenüber. Da ringen die Sozialausschüsse mit der Mittelstandsvereinigung, der »konservative Feminismus« einer Rita Süßmuth mit klerikalen Gruppen um den künftigen Kurs. Die Diskussion kennt kaum ein Tabu; Selbst klassisch sozialdemokratische Forderungen, wie der Ruf nach einem Beschäftigungsprogramm, gehören inzwischen zum Repertoire christdemokratischer Organisationsgliederungen. Klaus Naumann zeichnet die Stationen einer »Modernisierung« der Union nach, ein Prozeß, der noch lange nicht abgeschlossen ist.