Jahresregister 2016

Schwerpunkte

spw 217 – 06/16

Religion und Identität

Auch im vergleichsweise säkularen Europa wird die öffentliche Rolle von Religion verhandelt und um Fragen religiöser Identitäten und deren (vermeintliche) Gegensätze zunehmend kontrovers debattiert. Im Mittelpunkt steht dabei oft die Diskussion über die Zugehörigkeit des Islam zu Europa, und die Frage, ob „der Islam“ denn überhaupt mit einer westlich-demokratischen Gesellschaftsordnung vereinbar sei. Dass es „den Islam“ nicht gibt, sondern immer nur konkrete Auslegungen und Anwendungen in der täglichen Glaubenspraxis wird dabei genauso verdrängt wie die Tatsache, dass aktuelle religiös konnotierte Konfliktlinien in Europa bei weitem nicht nur durch muslimische Glaubensvorstellungen entstehen: Die christlich-konservativen Demonstrationen gegen die Homoehe, Gender-Theorien und -politiken in Frankreich, die durch die nationalreligiöse Regierung betriebene Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen, die durch die AfD angeheizten Initiativen gegen Moscheebauten oder Debatten um Burka-Verbote u.a. in den Niederlanden sind dafür einige besonders augenfällige Beispiele.


spw 216 – 05/16

Feministische Spannungsfelder

Feminismus und Sozialdemokratie speisen sich aus den gleichen Quellen: Beide haben ihren Ursprung in sozialen Bewegungen, beide sind Reaktionen auf ungerechte und untragbare soziale Verhältnisse. Viele feministische Positionen fanden Eingang in sozialdemokratische Programmatik, sie sind eingewebt in das sozialdemokratische Selbstverständnis. Doch was haben sich Feminismus und Sozialdemokratie heute noch zu sagen? Können aktuelle feministische Positionen sozialdemokratische Programmatik inspirieren und orientieren? Und wie sozialdemokratisch sind feministische Diskurse?


spw 215 – 04/16

Populismus und politische Repräsentation

In den letzten Jahren ist die Debatte um Linkspopulismus zunehmend in den Mittelpunkt linker Strategiedebatten gerückt. Die neue Aufmerksamkeit für die theoretische Ansätze Ernesto Laclaus und der durch sie inspirierten politischen Strategien stehen mit mehreren Entwicklungen im Zusammenhang.

  • Die Rückkehr der im Grunde nie gelösten sozialen Frage und der durch die Hegemonie neoliberaler Politik zunehmenden Schere zwischen Arm und Reich national und international.
  • Die seit Jahrzehnten zunehmenden demokratischen Teilhabeerwartungen von Frauen und Männern.
  • Die Krise der Sozialdemokratie durch ihre autoritär-neoliberale Politik und die unerfüllte politische Repräsentation der Teilhabeerwartungen.
  • Die Mobilisierungserfolge der aus Protestbewegungen hervorgegangenen neuen Parteien wie Podemos und Syriza, aber auch die Dynamik der Kampagnen Bernie Sanders’ und Jeremy Corbyns.
  • Und schließlich haben die Erfolge rechts-populistischer und rechtsextremistischer Kampagnen und Parteien der Debatte Auftrieb gegeben, zumal die AfD bei den Landtagswahlen im März und im September mehr als 20 Prozent der Stimmen erreichte und vergleichsweise viele NichtwählerInnen mobilisieren konnte.

spw 214 – 03/16

Flucht und Migration

Einwanderungsland auf Probe
Die Bilder von den HelferInnen am Münchener Hauptbahnhof scheinen eine Ewigkeit her zu sein. Kurz zuvor waren mit Zustimmung der Bundesregierung tausende Flüchtlinge aus Budapest nach Deutschland aufgebrochen. In keinem Jahresrückblick fehlten jene Willkommensszenen, die das solidarische und humanitäre Engagement breiter Bevölkerungsteile symbolisierten. Dagegen sahen sich Teile jener Milieus, die vor allem durch Pegida und die AfD oder zum Teil von CDU/CSU repräsentiert wurden, durch die politischen Öffnungen und die Flüchtlingshilfebewegung herausgefordert. In ihrer (eher) autoritären Wahrnehmung war die Aussetzung des Dublin-Abkommens ein ordnungspolitischer Sündenfall. Ihre politischen AkteurInnen forderten vehement den Schutz der Grenzen ein und warnten, teils mit deutlichen fremdenfeindlichen Ressentiments, vor Überforderung oder vor Identitätsverlust. Wie steht es heute um die Perspektiven einer solidarischen Flüchtlingspolitik in Europa und Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigt sich dieser Heftschwerpunkt.


spw 213 – 02/16

Behinderung und Inklusion

Für  manche ist Behindertenpolitik noch eine besondere Unterkategorie der Sozial- und Gesundheitspolitik, ein Feld mit spezifischen Institutionen, Berufen, Gesetzen und Wissenschaftsdisziplinen, in dem Wohlfahrtsverbände und Fürsorgebehörden den Ton angeben. Doch seit einigen Jahrzehnten ist immer schwerer zu übersehen, dass gesellschaftliche Gestaltung für Menschen mit Behinderungen und durch sie zu einem zentralen Feld der Auseinandersetzungen um Demokratie und Menschenrechte geworden ist. Forderungen nach mehr demokratischer Partizipation und gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sind Teil eines umfassenden gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses, in dem das Bedürfnis nach Autonomie und mehr demokratischen Teilhabemöglichkeiten vor allem in der modernen Arbeitnehmermitte gewachsen ist.


spw 212 – 01/16

Digitales Arbeiten und Wirtschaften

Alles wird anders!
Galten vor wenigen Jahren noch die „2.0“-Version von Produkten, Dienstleistungen aber auch von politischen Ideen als zeitgemäßes Wording, übersprangen die Kommunikationstrends anschließend die nächsthöhere Stufe. Nun diskutieren alle den „4.0“-Wandel von Gesellschaft, Arbeit und Wirtschaft.
Das Kürzel „2.0“ lehnte sich an die Charakterisierung des Internets in Richtung Social Media und User Generated Content an. Das Kürzel „4.0“ wiederum bezieht sich in erster Linie auf Debatten um die Zukunft der Industrie und sollte im Kern eine neue, technologisch revolutionäre Stufe nach der Dampfmaschine, dem Fließband und der Mikroelektronik/EDV beschreiben. Alles wird anders, so der Tenor! Wer hingegen Einwände vorbringt, gilt als rückwärtsgewandt und unwissend.