Jahresregister 1986

Schwerpunkte

spw 33 – 04/86

DGB

Die bürgerlich orientierten Medien sind besorgt über den Zustand von Gewerkschaften und SPD. In gewohnt formaldemokratischer Manier wird beklagt, daß doch die in einer »gesunden Demokratie« so notwendige starke Opposition nicht in Aussicht ist. Dahinter steckt schon die reale Besorgnis, die Integrationskraft von SPD und Gewerkschaften könnte langfristig Schaden nehmen mit weitreichenden Konsequenzen für die Stabilität dieser Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Bis zu sozialen und ökonomischen Fragestellungen stoßen bürgerliche Journalisten bei ihren »Analysen« allerdings nur selten vor. Eine Inflationsrate von Null Prozent wird als großer Erfolg gefeiert, obwohl die Bundes­regierung dafür nun wirklich nichts kann. Auch wäre sehr wohl einmal interessant zu un­tersuchen, was »der Bürger« von diesen Null Prozent eigentlich hat. Welche Entlastung erfährt z.B. ein kinderreicher Haushalt ohne Auto und Ölheizung bei gleichzeitig davon­galoppierenden Preissteigerungen der öffentlichen Verkehrsmittel?


spw 32 – 03/86

Linke Kultur und SPD

Sonntagabend. Mein Schimmie flimmert über die Glotze. Wie immer gestreßt. Ein Mord nach dem ändern. Und da noch die Nerven behalten. So nimmt es auch nicht Wunder, daß er ausrastet, Zeugen anbrüllt, sie packt, aus dem Untersuchungszimmer wirft. Über den biederen Vorgesetzten, der anmahnt, daß das doch ein bißchen weit gehe, kann man nur lächeln.Nachrichten. Streit über die Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Welche Waffen darf die Polizei benutzen? Kultur und Politik. — Vielleicht erfährt man in einem »Tatort«-Krimi mehr über die Produktion von Zustimmung als in Parteiprogrammen und Reden der Politiker. Das »Herunterholen« einer politischen Streitfrage (Welche Rechte und Methoden soll die Poli­zei haben bzw. anwenden können?) auf die allgemein-menschliche Verstehensebene (»Na, der war ja ganz schön im Streß«, »Wie hättest Du denn gehandelt?«), schafft im Kulturel­len mehr Verständnisbereitschaft für politische Entscheidungen als langatmige Begrün­dungen eines Strauß oder Kohl im Bundestag.


spw 31 – 02/86

SPD-Wirtschaftsprogramm: Mit dem Kapital durch dick und dünn

Die SPD-Wirtschaftskonferenz am 9. und 10. Mai in Hamburg hat es noch einmal deut­lich gemacht: Nach dem Willen der maßgeblichen Kongreßvorbereiter Peter Glotz und Wolfgang Roth soll die SPD die Marktwirtschaft auf ihre Fahnen schreiben, wenn sie in den nächsten Bundestagswahlkampf zieht. Der Unternehmer soll rehabilitiert werden, ei­ne Gründerwelle soll neue Arbeitsplätze schaffen und »Versöhnung« statt Klassenkampf soll das Investitionsklima verbessern (vgl. den Bericht in diesem Heft). Aber was ist eigent­lich das qualitativ Neue an einer derartigen sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik?


spw 30 – 01/86

Ökologie

National wie international, in den kapitalistischen Metropolen wie in der sogenannten Dritten Welt, nehmen Zerstörungen der menschlichen und außermenschlichen Naturverhältnisse drama­tisch zu. Das wachsende Ausmaß der Verwüstungen macht sich im Bewußtsein immer massenhaf­ter als Gefährdung, als »ökologische Krise« geltend.Die sozialistische Arbeiterbewegung und die marxistische Theorie finden verspätet zu einer ana­lytischen und politisch-strategischen Berücksichtigung ökologischer Probleme. Verschränkt mit dem Gegensatz der Systeme, dominierte jahrzehntelang naive Wachstumseuphorie; Während Sozialdemokraten durch »die Technik« nicht selten die Lösung politisch-sozialer Probleme erwarte­ten, wurde die »produktivistische« Abweichung innerhalb des Marxismus bestimmend für die Po­litik regierender kommunistischer Parteien.