Jahresregister 1989

Schwerpunkte

spw 50 – 06/89

spw 50

Deutschland im Herbst. 9. November. 1918. Matrosen, Soldaten, Arbeiter erheben sich. Revolution.1989. Menschen schwingen sich auf ihr Fahrrad, steigen in ihre Trabis, gehen zu Fuß. Nach Westen. Es gibt keine Kontrollen. Sie ziehen zum Ku’damm. Sie feiern. Es gibt Sekt. 10. November. Der Ku’damm ist überfüllt. Händler ärgern sich über die Blauen, die sie nicht wechseln können. Glückliche DDR-Bürger ziehen mit Cola-Büchsen den Tauentzien entlang. Rathaus Schöneberg. Der Regierende redet. Wiedersehen, nicht Wiedervereinigung. Die Menge ist begeistert. Der Kanzler redet. Man versteht seine Worte nicht. Sie gehen unter im Pfeifen. Einige Menschen versuchen, das Deutschlandlied anzustimmen. Sie kommen nicht durch. Die Menschen wollen nicht singen. Dieses Lied nicht.


spw 49 – 05/89

Fortschritt ’90

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht die westdeutschen Zeitungen mit Meldungen und Reportagen aus Ostberlin, Budapest, Warschau oder Leipzig gefüllt sind. Der Kopf schwirrt einem, klare Gedanken scheinen nicht mehr faßbar zu sein. Westliche Rat­schläge werden erteilt. Von Wiedervereinigung wird visioniert und selbst von Sozial­demokraten das Ende von Gesprächen mit der SED gefordert. Tagtäglich sprießt eine wahre Spekulations- und Vorschlagskultur. Die täglichen Neuigkeiten über den Tag hinaus zu verarbeiten und Grundfragen der weiteren Entwicklung aufzuwerfen, versucht Andreas Wehr. Für die DDR scheinen ihm vor allem drei Veränderungen unabdingbar, um die akute Krise positiv zu bewäl­tigen: Marktwirtschaftliche Elemente sind in das starre und bürokratisierte Planungs­system zu integrieren, die Meinungsbildung muß in aller Öffentlichkeit erfolgen, und es muß eine Konkurrenz unterschiedlicher politischer Strömungen möglich sein.


spw 48 – 04/89

Kritik am Entwurf

Die Debatte um das neue Grundsatzprogramm der SPD (»Bremer Programm«) geht in die letzte Phase. Die Parteilinke muß jetzt ihre Alternativen zu den verbesserungsbe­dürftigen Teilen des zweiten Entwurfs formulieren. Hierbei wird sich zeigen, wie aktionsfähig der Frankfurter Kreis letztendlich ist. Uli Schöler berichtet im Bonner Tage­buch über recht hoffnungsvoll stimmende Ansätze. Nachdem Kurt Neumann in spw 46 die Entstehungsbedingungen des zweiten Pro­grammentwurfs geschildert hat und Detlev Albers in Heft 47 eine grundlegende Ein­schätzung vorgenommen hat, wird in diesem Heft der Inhalt einzelner Abschnitte stärker unter die Lupe genommen.


spw 47 – 03/89

USA. Von Reagan in die Traufe?

Ende April brach innerhalb der NATO offener Streit aus. Schon länger hatte er sich abgezeichnet, und nur vordergründig betrifft er die Frage von Modernisierung oder Abrüstung der nuklearen »Gefechtsfeldwaffen« auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Das neue Denken in der Sowjetunion, das gemeinsame Sicherheit will und zugleich unilaterales Vorgehen in dieser Perspektive nicht scheut, bedeutet eine Herausforde­rung der NATO; letztere benötigt nun ein überzeugendes Gesamtkonzept. Und das Konzept NÄIÖl Die militärische Blockformation des Westens wird in dem Maße frag­würdiger, wie die Erosion des »Sowjetblocks« voranschreitet und mehr Menschen in den europäischen NATO-Ländern eine Bedrohung von außen verneinen. Entsprechend verunsichert und widersprüchlich sind die Reaktionen der herrschenden Politik.


spw 46 – 02/89

Europhorie ’92. Konsequenzen des EU-Binnenmarktes

Die Europhorie angesichts der für 1992 geplanten Einführung des Gemeinsamen Bin­nenmarktes ist parteiübergreifend. Es gibt kaum mehr èin politisches Projekt, das seine Legitimation nicht auch aus dem Gemeinsamen Binnenmarkt und seinen Anfor­derungen ableitet. Diese Europhorie scheint kaum dadurch beeinträchtigt zu werden, daß Analysen der ökonomischen Konsequenzen des Gemeinsamen Binnenmarktes zu­mindest kurzfristig negative Beschäftigungseffekte und eine äußerst ungleiche Vertei­lung der postulierten Wohlfahrtseffekte Voraussagen. Als eine Triebkraft der Euro­phorie kann das Bedürfnis zur Herstellung eines neuen imaginären Wir-Gefühls West­europas ausgemacht werden, das eine wichtige Rolle bei der politischen Durchsetzung von Deregulierung und Modernisierung spielt (vgl. den Beitrag von Bartelheimer/Wolf). Das vorliegende Heft will zur Analyse vor allem der ökonomischen, aber auch der politischen und ideologischen Konsequenzen des Gemeinsamen Binnenmarktes beitragen.


spw 45 – 01/89

SPD-Programm: Traditioneller Markt oder sozialistische Moderne

Vor drei Monaten feierten wir 10 Jahre spw, in den Diskussionen spielte eine Rolle, zu welchem Zweck dieses Projekt marxistischer und anderer linker Sozialdemokraten einmal begonnen und welcher Weg inzwischen zurückgelegt wurde. Eingangs des neuen, 12. spw-Jahrgangs ist jetzt Bilanz zu ziehen über eine Reihe organisatorischer und konzeptioneller Veränderungen, die im Laufe der beiden letzten Jahre vorge­nommen oder angebahnt wurden. Die Abonnenten haben es auf den ersten Blick gemerkt: Ab dieser Ausgabe liegt die Auslieferung der Zeitschrift in fremden, professionellen Händen. Lediglich die Ver­triebsagenten erhalten ihre Exemplare und die Abrechnungen weiter durch das Büro. Endgültig abgeschlossen ist die Umwandlung in eine Zweimonats­zeitschrift.