Jahresregister 2004

Schwerpunkte

spw 140- 06/04

Wachstum ist möglich

Hintergrund der Wiederentdeckung eines fast schon verschwundenen Begriffs ist die wohl nicht ganz falsche Einsicht, dass die Diskussion um den Übergang von der Industrie – zur Dienstleistungsgesellschaft in den vergangenen Jahren zu eindimensional geführt worden ist. Man folgt nun der Erkenntnis, dass gerade der steigende Anteil der industrienahen Dienstleistungen zum einen Outsourcing-Effekten geschuldet und zum anderen natürlichen einen industriellen Kern für ein stabiles Wachstum benötigt. Gerade die Auseinandersetzung um das Opel-Werk in Bochum hat den handelnden Personen wohl noch einmal plastisch vor Augen geführt, was der Verlust klassischer Industriezweige für Arbeit und Beschäftigung und damit für die wirtschaftliche Entwicklung weiter Teile des Landes bedeuten würde. So würde z.B. der Verlust von Chemie- und Automobilindustrie in seiner dramatischen Wirkung dem Rückgangs der Montanindustrie im Ruhrgebiet in nichts nachstehen.


spw 139 – 05/04

Sozialer Protest & Politik

Dieser Schwerpunkt ist entstanden in Fortführung unseres Diskurses zur Veränderung der Arbeits- und Lebensweise im Kapitalismus. Dabei ging es immer wieder auch um die Frage nach der politischen Artikulation von Interessen, nach Veränderungen im politischen System und der Möglichkeit, wie widerständige Positionen politisch wirksam werden könnten. Im Herbst 1998 hatten wir nach dem Wahlerfolg von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Schwerpunkt zum Komplex „Macht – Hegemonie – Protest“ (spw 103) vorgelegt, in dem die Wechselwirkung von ökonomischer und politischer Macht und den Möglichkeiten des Protestes diskutiert wurden. In den Folgejahren haben wir uns immer wieder damit auseinander gesetzt, wie stark sich einerseits die polit-ökonomischen und sozio-kulturellen Rahmenbedingungen verändert haben, auf deren Grundlage sich das politische Handeln vollzieht, anderseits aber auch, wie weit sich die Sozialdemokratie von den Interessen der Menschen entfernt, für die sie einstmals angetreten war (vgl. z.B. zuletzt die Schwerpunkthefte in 2003 „Politik und Identität“, spw 129, sowie „140 Jahre SPD – Linke, was nun?“, spw 132)


spw 138 – 04/04

Medien – Macht – Hegemonie

Die gesellschaftlichen Machtverhältnisse werden davon mitgeprägt, wie die Medien der Information und Kommunikation organisiert werden und wer über sie verfügt. Der Blick nach Italien zeigt, welche Macht die politische Rechte durch Medienkonzentration erringen kann. Es scheint der Linken insgesamt an einer entwickelten Analyse der modernen Medien und erst recht an einer Strategie zu fehlen. Oftmals werden Debatten darüber geführt, „man müsse mal“ bestimmte Fakten, Meinungen und Ziele bekannt machen, ohne dass hinreichend diskutiert wird, welche Möglichkeiten die politische Linke dazu hat und welche nicht. Dass die Verfügung über wichtige Kommunikationsmittel nicht demokratisch organisiert ist, gehört zur realen Verfassung unserer Republik. Weniger klar ist, wie neuere Änderungen in Medien und Öffentlichkeit einzuschätzen sind, namentlich die Vorherrschaft von Unterhaltung und Zerstreuung über Information und Diskurs.


spw 137 – 03/04

Linke Kommunalpolitik

Die Aufstellung der Sozialdemokratie in den Städten war und ist Gegenstand zahlreicher Debatten. Doch selten war bislang die Frage, wie sich Kommunalpolitik in einen gesamtstrategischen Rahmen der SPD einzuordnen hat und wie die unterschiedlichen Ebenen miteinander kommunizieren. Ulrich Maly, Christian Ude oder Bärbel Dieckmann stehen für erfolgreich bestandenen Oberbürgermeisterwahlen trotz schwieriger Rahmenbedingungen. Im Trend gibt es jedoch in vielen einstigen Stammquartieren für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker der SPD derzeit nicht viel zu holen. Frankfurt ist seit Jahren fest mit einer CDU-Oberbürgermeisterin ausgestattet. In Hamburg erhielt erst jüngst eine absolute CDU-Mehrheit. Selbst im einstmals roten Ruhrgebiet hat die CDU mittlerweile ihre Stellung ausbauen können: Essen und Gelsenkirchen haben CDU-Oberbürgermeister bekommen und gibt es in ganz Nordrhein-Westfalen nur noch zwei sozialdemokratische Landräte.


spw 136 – 02/04

Die neue EU

Hier sei nur daran erinnert, dass sich in der Slowakei in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre unter Meciar autoritäre Tendenzen entwickelten, die denen in Weißrussland ähnelten. Aufgrund des durch die EU-Beitrittsverhandlungen gegebenen Zwanges zur Einigung wurde es auch möglich, sowohl Grenzstreitigkeiten als auch Minderheitenkonflikte weitgehend zu beruhigen. Andernfalls hätte es in fast allen Fällen der nun beitretenden Staaten genügend mögliche Szenarien im Sinne einer Balkanisierung gegeben. Man halte sich nur die Minderheitensituation in Ostmitteleuropa oder im Baltikum vor Augen. Die Beitrittsverhandlungen, die sicherlich schon eine Abgabe von Souveränität implizierten, führten dazu, dass die Eliten sich zu disziplinieren und demokratische Verfahrensweisen zu befolgen hatten. Diese hatten auch die grundlegende Modernisierung der staatlichen Strukturen zur Folge, die Staaten folgten gewissermaßen – bei aller Unterschiedlichkeit – dem mainstream europäischer staatlicher Entwicklung.


spw 135 – 01/04

Kapitalismus heute

Vor einem Jahr veröffentlichte der VSA-Verlag das Buch “Boom & Bubble” von Robert Brenner, in dem dieser auf einer breiten empirischen Grundlage die ökonomische Entwicklung insbesondere der USA in den zurückliegenden 30 Jahren analysiert. Die deutsche Übersetzung wurde von einigen Vorschusslorbeeren begleitet, die durch Klaus Drägers Beitrag “Baustelle Neomarxismus” in Prokla 123 (Dräger 2001) genährt wurden. Dräger erhoffte sich von der deutschen Übersetzung eine inspirierende Diskussion über marxistisch orientierte Krisentheorie und Kapitalismusanalyse im deutschsprachigen Raum, wie sie durch Brenner seit Erscheinen des Ursprungstextes “The Economics of Global Turbulence” in der New Left Review im Jahre 1998 für den angloamerikanischen Raum zutraf.