Jahresregister 1987

Schwerpunkte

spw 38 – 05/87

SU 2017

Der »Rote Oktober« schrieb Weltgeschichte. Der österreichische Sozialdemokrat Otto Bauer erkannte dies 1919 ebenso wie die Tatsache, daß der russische Oktober nicht die Weltrevolution sein konnte. Siebzig Jahre danach ist der Kampf um seine Zukunft in vollem Gang. Jahrzehntelang standen das Überleben dieses sozialistischen Projekts, die nachholende Industrialisierung und der Kampf gegen die äußere Aggression, aber auch stalinistische Repression und hausgemachte Stagnation im Zentrum des sowjeti­schen Geschehens. Die Perspektivlosigkeit der Ära Breschnew, deutlich genug zuletzt in Innen- und Außenpolitik (Krise des Agrarsektors, staatliche Zwangsmaßnahmen, Besetzung Afghanistans), veranlaßte viele, die Erschöpfung des bolschewistischen Foitschrittsimpulses festzustellen. Würde aber die Notwendigkeit des Umbaus der So­wjetgesellschaft auch jene Kräfte hervorbringen, die zu radikaler Reform fähig wären?


spw 37 – 04/87

Auf der Suche nach der verlorenen Jugend

Wo die deutsche Sozialdemokratie vor 15 Jahren ihre größten Erfolge feierte, tun sich heute ihre größten Probleme auf: Während die SPD allein im Jahr 1972 über 100000 Neueintritte im »Juso-Alter«, d.h. unter 35 Jahren, verzeichnen konnte, werden heute junge Gesichter in der Partei als Rarität gehandelt. In der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten hat diese Entwicklung inzwischen zu einer breiten — teilweise kontro­versen — Diskussion geführt, deren Zwischenstand wir in dem vorliegenden Heft do­kumentieren und kommentieren wollen.»Jugendpolitische Orientierung« heißt einer der umstrittenen Schlüsselbegriffe der Debatte. Möchte man zunächst meinen, für einen Jugendverband sei dies eine Tauto­logie, zeigt sich bei näherer Betrachtung, wie brisant eine jugendpolitische »Umdeu­tung« der Verbandspolitik für eine Organisation werden kann, die sich in ihrem Selbst­verständnis über fast zwei Jahrzehnte als linker Stachel im Fleisch einer mehrheitlich rechtssozialdemokratisch definierten Gesamtpartei begriffen hatte.


spw 36 – 03/87

Linke Deutschland-Politik?

Deutschland und Deutschlandpolitik schienen lange eine Domäne konservativer Po­litik zu sein. Erst die Entspannungspolitik der Sozialdemokratie führte dazu, daß zeit­weilig Deutschlandpolitik vor allem mit der Sozialdemokratie identifiziert wurde. Der sozialdemokratische Kompetenzvorsprung droht nun verloren zu gehen. Der Irseer Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm ist gerade deutschlandpolitisch sehr verbesserungsbedürftig (vgl. spw 35, S.167ff.). Zugleich finden in anderen Parteien inten­sive Diskussionen statt. In der Union ringen ewiggestrige Stahlhelmer mit wendigen Technokraten. Bei den Grünen wird gelegentlich auch einmal über Deutschlandpolitik diskutiert. Die sozialdemokratische Debatte, zukunftsweisender als konservative und grüne Einlassungen, hat Schwierigkeiten, sich bundesweit in Beschlüssen niederzu­schlagen. Die Behandlung des Berliner Antrags (vgl. hierzu spw 32, S.275ff.) auf dem Nürnberger Parteitag ist ein Indiz dafür.


spw 35 – 02/87

Die SPD und ihr Programm: Tanker im Nebel?

Der Rücktritt des Parteivorsitzenden Willy Brandt und das Ergebnis der hessischen Landtagswahlen haben in der Sozialdemokratie zu Erschütterungen geführt, die in ihrem verunsicherndem Ausmaß die Enttäuschung über die Bestätigung der Bonner Rechtskoalition bei weitem übertreffen. Kurzschlüssige, teilweise fast panische Reak­tionen waren so eine verständliche Folge der beiden Ereignisse. Manche sehen das Ende der Ära Brandt — nicht ohne Verklärung des Vergangenen — als Zeichen einer erneuten Verschiebung des innerparteilichen Kräfteverhältnisses nach rechts. Tatsäch­lich stand im Bundestagswahlkampf der designierte SPD-Vorsitzende, der Fraktion­schef Hans-Jochen Vogel, nicht weniger als Brandt für die veränderte Standortbestim­mung des Nürnberger Parteitages und für ein anderes machtstrategisches Verhältnis zu den Grünen.


spw 34 – 01/87

Rot-Grüne Zukunft?

Die Zukunft ist rot-grün — wenn es eine gibt. Spätestens das Ergebnis der Bundestagswahl hat gezeigt, daß ohne ein Bündnis von SPD und Grünen die Verhinderung der progressiven neokonservativen Formierung der Bundesrepublik ebensowenig möglich ist, wie die Durch­setzung einer alternativen, ökologisch und sozial orientierten gesellschaftlichen Entwicklungsrichtung. Doch wie muß dieses Bündnis beschaffen sein? Es darf kein taktisches Bündnis sein, als das viele Sozialdemokraten etwa die rot-grüne Koalition in Hessen be­trachtet haben. Ein taktisches Bündnis stellt den Erhalt oder die Erweiterung der eigenen Macht in den Mittelpunkt. Dem entspricht die Haltung, sich eine Koalition mit den Grünen ebensogut vorstellen zu können wie mit der FDP, wobei letztere für viele, nicht nur rechte, Sozialdemokraten leider vorläufig an die CDU/CSU gebunden ist.