Richter, Staatsanwalt und was noch?

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Autorenbild von Lukas Kiemen

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Lukas Kiehne ist Referent für Justiz und Verfassung bei der SPD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt und Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Sachsen-Anhalt. Parallel promoviert er an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Thema „Grundrechtsbegrenzungen als Ausdruck gewünschter gesellschaftlicher Ordnung“.

VON Lukas Kiehne

Wissen Sie, was der Unterschied zwischen einem Justizwachtmeister und einem Justizvollzugsbeamten ist? Wenn nicht, keine Sorge: Ich habe selbst erfahrene Politiker schon an dieser Frage scheitern sehen. Justizvollzugsbeamte können die meisten noch herleiten. Offensichtlich handelt es sich um Beamte, die im Justizvollzug tätig sind – im allgemeinen wie falschen Sprachgebrauch auch als Gefängniswärter bekannt. Aber Justizwachtmeister? Das sind grob gesagt diejenigen, die an Gerichten und Staatsanwaltschaften für Sicherheit und Ordnung sorgen. Zu deren Aufgaben zählen die Bewachung von Inhaftierten während der Gerichtsverhandlung, in vielen Bundesländern aber auch der Pfortendienst sowie die Entgegennahme und Verteilung von Post für die Justiz.

Ohne beide Berufsgruppen wäre die Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wohl kaum sinnvoll. Wer würde sich sonst darum kümmern, wenn ein wütender Angeklagter während der Gerichtsverhandlung randaliert? Und wie sicher wäre wohl ein Gefängnis ohne Justizvollzugsbeamte?

Dennoch tauchen beide Berufsgruppen äußerst selten in den Debatten um die Arbeit unseres Rechtsstaates auf. Wir lesen in den Medien von Aktenstapeln in den Gerichten und Staatsanwaltschaften, von jahrelangen Verfahrensdauern und fehlenden Richtern und Staatsanwälten. Dass aber beispielsweise in Sachsen-Anhalt X Prozent aller Stellen im Justizwachtmeisterdienst unbesetzt sind oder in den Justizvollzugsanstalten dieses Bundeslandes wegen Personalmangels Häftlinge teilweise tagelang maximal eine Stunde für Arbeit und Hofgang aus ihren Zellen dürfen – das weiß im günstigsten Fall nur ein kleiner Kreis von Justizpolitikern.

Doch das Personalproblem der Justiz beschränkt sich nicht nur auf Justizwachtmeister und Justizvollzugsbeamte. Genauso fehlen in Deutschland beispielsweise Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger und Justizfachangestellte – Berufsgruppen also, die die eigentliche Arbeit der Richter und Staatsanwälte vorbereiten, unterstützen oder umsetzen. Wenn aber niemand mehr das Verhandlungsprotokoll schreibt oder einen Vollstreckungsbefehl umsetzt, welchen Wert hat dann noch eine richterliche Entscheidung?

Die Bundesregierung hat angekündigt, mit einem neuen „Pakt für den Rechtsstaat“ den Ländern gut 500 Millionen Euro unter anderem für neue Stellen in der Justiz zur Verfügung zu stellen. In den oft mageren Landeshaushalten gerne gesehenes Geld. Doch auch hier dreht sich die öffentliche und mediale Diskussion vor allem um die zweifelsohne ebenfalls raren Richter und Staatsanwälte. Damit aber der Rechtsstaat funktionieren kann, darf die Personalpolitik der Justizminister nicht bei diesen beiden Berufsgruppen enden.

Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass es in der Vergangenheit selten am Geld scheiterte. Die Justiz steht vor dem gleichen Problem wie viele Arbeitgeber: Es fehlen Bewerber. Noch scheint aber nicht in jedem Justizministerium die Botschaft angekommen zu sein, dass man mit einer farblosen Ausschreibung auf einer Behördenwebseite keinen potentiellen Arbeitnehmer hinter dem Ofen hervorlockt. Zumal das Berufsbild beispielsweise eines Gerichtsvollziehers oder eines Justizvollzugsbeamten eine erhebliche körperliche und psychische Belastbarkeit erfordert. Dabei gibt es durchaus positive Ansätze. Um bei den beiden genannten Berufsgruppen zu bleiben: Baden-Württemberg konnte schon 2016 mit der Umstellung der Gerichtsvollzieherausbildung auf einen Bachelor-Studiengang das Bewerberinteresse deutlich erhöhen. Und Sachsen-Anhalt betreibt seit 2021 eine moderne und ansprechende Werbung für die Arbeit im Justizvollzug.

Positive Effekte können solche Ansätze aber auf Dauer nur bringen, wenn sie nicht zu föderalen Konkurrenzen führen. Es bringt dem Rechtsstaat in der Gesamtheit nichts, wenn sich die Länder ihr Personal gegenseitig abwerben. Die Justizminister müssen daher in der Personalfrage viel stärker kooperieren – zum Beispiel durch die Bildung regionaler Ausbildungscluster oder einheitliche Besoldungen. Das erfordert natürlich auch die Angleichung von Berufsanforderungen. Es kann nicht funktionieren, wenn in dem einen Land Justizwachtmeister noch mit einjähriger Ausbildung im einfachen Dienst arbeiten, in dem anderen Land aber schon eine zweijährige Ausbildung für den mittleren Dienst erfolgt.

Sechzehn Länder einig werden zu lassen, das ist schon in der Bildungspolitik oft ein frommer Wunsch. Versuchen müssen es die Justizpolitiker trotzdem – sehen wir das wortwörtlich als Pakt für den Rechtsstaat.

2025-11-29T11:46:39+01:00
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