Sozialstaat stärken: Warum Reformen dringend nötig sind
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12.12.2025

Foto: © DGB/Benno Kraehahn
Yasmin Fahimi war SPD-Generalsekretärin, Staatssekretärin und direkt gewählte Bundestagsabgeordnete. Seit 2022 ist sie DGB-Vorsitzende.
VON Yasmin Fahimi
Ideologisch verhärtet und immer radikaler: Die Sozialstaatsdebatte scheint zum nächsten Fixpunkt der gesellschaftlichen Polarisierung zu werden. Dabei ist die Lage schon fragil genug. Ausgerechnet in dieser Situation wird eine zentrale Linie in Frage gestellt, die Sicherheit bieten soll: Deutschland diskutiert über 48 Prozent Rentenniveau.
Im Hintergrund steht die Behauptung, dass wir uns den Sozialstaat angeblich „nicht mehr leisten können, mit dem, was wir erwirtschaften“. Abgesehen davon, dass diese Aussage im Verhältnis zum BIP für die Rente nachweislich falsch ist, sollten wir besser wirtschaften.
Wenn zum Beispiel Tarifflucht und Lohndumping gestoppt werden, sorgt dies allein für die Sozialversicherungen jedes Jahr für mehr als 40 Mrd. Euro. Dazu brauchen wir mehr Innovationen, weniger Abhängigkeiten und größere Sicherheit für Gute Arbeitsplätze. Deshalb sollten wir auch demokratischer wirtschaften: Mit einer stärkeren Mitbestimmung in Konzernen und Betrieben hätten viele Managementfehler vermieden und Jobs gerettet werden können.
Stattdessen werden „schmerzhafte Sozialreformen“ angekündigt. Können sie den Sozialstaat wirklich fit und die soziale Sicherung zukunftsfest machen?
Ja, der Sozialstaat braucht Reformen, vor allem vor Ort. Sozialleistungen müssen einfacher und schneller erfahrbar werden. Dafür müssen aber vor allem die Kommunen gestärkt werden. Auch deshalb sollte der „Schmerzpunkt“ der Reformen bei denen liegen, die ihn gar nicht spüren: bei den Superreichen, Big Tech-Giganten und großen Erben. Aber auch bei denen, die im großen Stil Steuern hinterziehen oder illegale Beschäftigung organisieren.
Wir brauchen Reformen auch bei den Sozialversicherungen: Zweiklassenmedizin, Pflegenotstand und Altersarmut – bis heute ungelöste Probleme. Die Mehrheit will eine solidarisch finanzierte Absicherung und ist für höhere Beitragssätze offen, wenn dem stabile Leistungen gegenüberstehen. Dazu sollte auch der Kreis der Beitragszahler*innen erweitert werden. Das hilft, gerade in der Rentenversicherung.
Wenn aber Leistungen gekürzt oder die Beiträge der Arbeitgeber eingefroren werden, wird die soziale Sicherung für die Arbeitnehmer*innen sehr viel teurer. Die Belastungen einseitig Arbeitnehmer*innen aufzudrücken, wäre nicht zuletzt gegenüber den jungen Generationen unverantwortlich.
Wir werden die Zukunft aber nicht gewinnen mit einer Debatte um Zehntelprozentpunkte. Für die Wertschöpfung, Arbeitsplätze und damit auch die soziale Sicherung von Morgen kommt es darauf an, dass wir das „Wirtschaftsmodell Deutschland“ reformieren. So können wir das Niveau insgesamt sichern: für die Rente, den Lebensstandard, den gesellschaftlichen Zusammenhalt – und auch die Debattenkultur.
