Thesen zur Vorbereitung der Dritten Gewalt in Deutschland auf einen föderalen Bundesstaat Europa

#asj #mit recht politisch #spw

VON Michael Machleidt

Ausgangspunkt

Es hat in der jüngeren Vergangenheit für die politische Zukunft unseres Landes kaum eine so realistische Utopie gegeben wie die Übereinkunft der vergangenen Bundesregierung, für Europa einen föderalen Bundesstaat anzustreben, der dezentral auch nach Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit organisiert ist.

Vorhaben dieser Art setzen von allen Beteiligten die Bereitschaft voraus, eigene Handhabungen und Traditionen zu prüfen oder hinter sich zu lassen, um neue Wege zu gehen.

1. These: Ein föderaler europäischer Bundesstaat erfordert neues Nachdenken.

Die Bereitschaft zum Nachdenken erfordert, u.a. die Struktur der deutschen Justiz auf den Prüfstand zu stellen, um daraus sich ergebende Änderungen/-Reformen als Öffnung für Reformen in Europa zu begreifen.

2. These: Nur eine Reform der eigenen Situation öffnet die erforderliche Möglichkeiten für die Entwicklung Europas.

Die aktuelle Praxis der deutschen Justiz zeigt, dass Europa in ihrer Entwicklung nicht ausgeklammert werden kann: z.B. Verhältnis des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Gerichtshof, arbeitsrechtliche Bindung von Bediensteten durch die Kirchen, Autobahnmaut für europäische Bürger in Deutschland.

3. These: Die von Fall zu Fall sich ergebende Verflechtung in der Justiz mit Europa muss durch ein Gesamtkonzept – gegebenenfalls schrittweise – ersetzt werden.

Grundsätze einer Reform

Es geht im Folgenden darum, Prinzipien zu formulieren, die für eine solche Reform essentiell sind, hinter die man nicht zurückfallen darf, und die in weiteren Schritten einen europäischen Rahmen finden müssen.

a. Unabhängigkeit der Justiz und ihrer Ausübung

b. Äquivalenz streitender Parteien, Gewichtsausgleich

c. Anstellung von Richtern und Staatsanwälten auf Zeit

d. Verhältnis des Staats zu seinen Bürgern (Laien/Friedensrichter)

e. Überprüfung der Justiz in sich (Rechtszüge)

f. Einteilung der Justiz in Fachrichtungen

Es kann in der geforderten Kürze der Ausführungen nur um Andeutungen der geforderten Grundsätze gehen:

zu a. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in mehreren Ländern Europas stark gefährdet oder Gegenstand politischer Aggressionen. Die Unabhängigkeit umfasst vor allem die Weisungsfreiheit der Richter. Diese Freiheit muss auch für die Staatsanwaltschaften gelten.

zu b. Es gilt, Ungleichheiten zwischen Prozessparteien – z.B. Wirtschaftsmacht, staatliche Entscheidungsträger (Behörden) z.B. – dadurch auszugleichen, dass Vertreter öffentlichen Interesses Verfahren selbst einleiten oder sich an Verfahren beteiligen können (Gedanke der §§ 35 ff VwGO). Ihre Vertreter sind unabhängig und werden auf Zeit ernannt. Die Position der Vertreter des öffentlichen Interesses ist auch Ausdruck einer wehrhaften Demokratie

zu c. Die Ernennung auf Zeit vermeidet ein Übergewicht an Statik in der Rechtsprechung

zu d. Eine Justiz der Zukunft muss darum bemüht sein, Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zur Rechtsprechung mit der Ernennung von Friedensrichtern stärker zu öffnen. Bei kleineren Zivilstreitigkeiten, im Arbeitsrecht, ggf. auch bei Auseinandersetzungen zwischen öffentlichen Händen und Bürgern werden Friedensrichter berufen. Ihre Berufung kann auch als ein Beispiel für Subsidiarität gewertet werde. Friedensrichter müssen keine ausgebildeten Juristen sein. Ihre Aufgabe ist es, Streitigkeiten zu mediatisieren, zu schlichten aber auch zu entscheiden. Sie werden auf Zeit berufen. Eine Vertretung der Parteien durch Anwälte vor dem Friedensrichter ist nicht vorzusehen.

zu e. Gegen alle Entscheidungen in den erstinstanzlichen Rechtszügen ist nur eine Kontrollinstanz möglich und zuständig. Zu der erforderlichen Kontrolle zählen neben den Rechtszügen auch die Einteilung von Fachrichtungen und die Äquivalenz streitender Parteien. Obergerichte entscheiden nur noch in Fällen, in denen vergleichbare Gerichte unterschiedliche Entscheidungen getroffen haben (Rechtseinheit). So sollen Entscheidungen auch im überschaubaren Umfeld der Parteien getroffen werden.

Die Obergerichte sollen sich auch den Problemen gesellschaftlicher Entwicklung stellen. Es muss darum gehen, statische und dynamische Elemente der Gesellschaft in die verfasste Justizsystematik zu integrieren. Die Aufgabe, für Stabilität, Solidität, Kontinuität und der Wahrung der Rechtseinheit zu sorgen, werden einem ‚Wildwuchs‘ der Rechtsentwicklung entgegenstehen. Ein denkbares Gegenüber von richterlicher Gewalt und Legislative in diesem Zusammenhang könnte auch zu einer lebendigeren Struktur der Gesellschaft führen

zu f. Eine Einteilung in Fachrichtungen ermöglicht die Konzentration auf Fachwissen, ihre Umsetzung in gesprochenes Recht, gegebenenfalls ihre Fortentwicklung. Denkbar sind

– Zivil-, Arbeits- und Wirtschaftsrecht

– Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Kriminologie

– Öffentliches Recht, Sozial- und Steuerrecht.

Die juristische Ausbildung richtet sich – ggf. nach einer gemeinsamen Grundausbildung – nach diesen Zuschnitten, die zu jeweils entsprechend spezialisierten Studienabschlüssen führen.

epilog

Eine Justiz, die erkennt, dass Bürgerinnen und Bürger der Mittelpunkt ihrer Bemühungen sind, muss alles daran setzen, einen Ausgleich zwischen dem Einzelnen und gemeinschaftlichen Organisationen sowohl der Wirtschaft wie des Staates herbeizuführen. Sie wird diese Probleme nicht fehlerfrei, aber zukunftsorientiert lösen.

2025-11-29T11:53:01+01:00
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