Heft 263 – 02/2025

Trumpismus – Die USA im Niedergang

#analyse #spw

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Dr. Arno Brandt, 1955, Ökonom, Vorsitzender des Forums für Politik und Kultur in Hannover, lebt in Lüneburg.

von Arno Brandt

1. Einleitung

Noch befinden sich sowohl weite Teile der amerikanischen als auch der internationalen Öffentlichkeit angesichts des in kurzer Schrittfolge vollzogenen Epochenbruchs in einer kollektiven Schock-starre. Ein breit verankerter Widerstand in der US -Gesellschaft oder eine gemeinsame Allianz der bislang westlich verbündeten Partner der USA gegen die Politik der zweiten Trump-Regierung ist bestenfalls in Ansätzen erkennbar¹. Die „Shock and Awe-Strategie“ der ersten Monate scheint inländische wie ausländische Beobachter und Akteure in Ausmaß und Brutalität dermaßen überrascht zu haben, dass eine angemessene Reaktion bislang noch nicht gefunden werden konnte. Rechtsstaatlichkeit, Wissenschaftsfreiheit, körperliche Unversehrtheit, Meinungsfreiheit sowie Arbeitnehmer- und Frauenrechte werden seit Donald Trumps Inauguration ohne Umschweife massiv angegriffen und in Teilen außer Kraft gesetzt, die Urteilsfindung einer unabhängigen Justiz wird mit kompromissloser Härte beiseite geräumt. Außenpolitisch und -ökonomisch wird gegenüber den Ländern der EU ein harter Ton angeschlagen, die transatlantische Allianz aufgekündigt und durch eine aggressive protektionistische Handelspolitik ein Handelskrieg in Kauf genommen. „Die Geschwindigkeit, mit der diese Änderungen vorgenommen werden, hat viele Beobachter in Staunen versetzt, denn sie stehen im Widerspruch zu der Idee einer verfassungsmäßigen Demokratie“². Dabei hätten die Beobachter des US-amerikanischen Systemwechsels frühzeitig, bereits seit kurz nach Ende der republikanischen Vorwahlen, über die Absichten und Maßnahmen trumpistischer Politik informiert sein können. Ein Blick in das „Project 2025“ der Heritage-Foundation hätte gereicht, um eine Vorahnung davon zu bekommen, was der US-Gesellschaft und der internationalen Politik ins Haus steht.³

Dieser Regimewechsel läuft, wie Jürgen Habermas anmerkt, auf eine „neue Form technokratisch-autoritärer Herrschaft“⁴ hinaus, die in ihrer ganzen Tragweite noch nicht realisiert worden ist. Ganz unabhängig von der Frage, wie viele von den im „Project 2025“ formulierten Zielen tatsächlich realisiert werden können, „… konnte es keinen Zweifel an der Entschlossenheit des inneren Zirkels um Trump geben, den institutionellen Umbau des Staates nach dem längst bekannten Fahrplan der Heritage Foundation durchzuführen. Es ist schwer zu verstehen, warum die führenden Politiker Europas, insbesondere der Bundesrepublik, nicht vorausgesehen haben oder mindestens: warum sie sich blind gestellt haben, gegenüber einer in den USA schon seit Längerem angebahnten Erschütterung des demokratischen Systems“.⁵

2. Trumps zweiter Anlauf

Trumpismus bezeichnet eine populistische, nationalistische, antidemokratische und stark personalisierte politische Bewegung, die mit dem US-Präsidenten Donald Trump verbunden, aber nicht von ihm abhängig ist. Sie zeichnet sich durch „America First“-Rhetorik, Elitenkritik, einen autoritären Führungsstil und eine ablehnende Haltung gegenüber Migration und Globalisierung aus. Als politische Ideologie und repressive Praxis ist er ein moderner Ableger einer längeren historischen Tradition, die in der amerikanischen Geschichte immer wieder ihre Konjunktur gehabt hat⁶. Die historischen Wurzeln dieser Ideologie ruhen auf den vier Säulen des Nationalismus, evangelikaler Religion, ethnischer Identität und wirtschaftslibertärer Einstellungen. Nationalistischer Populismus, protestantischer Nativismus⁷, konservativer Rassismus und regressiver Neoliberalismus⁸ sind vier Traditionslinien der US-amerikanischen Geschichte, die vor dem Hintergrund einer grassierenden wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit in der Ideologie des Trumpismus zusammengelaufen sind. Insofern sind die Ursachen des Aufstiegs des trumpistischen Populismus mehrdimensional, sodass sowohl wirtschaftliche wie kulturelle Erklärungsmuster eine Rolle spielen.

Fragt man sich, warum der trumpistische Populismus gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts in den USA seinen Aufschwung nimmt⁹, treten überwiegend ökonomische Faktoren in den Vordergrund¹⁰. Nach Dani Rodrik ist sein Erfolg in erster Linie auf die maßgeblich nach 1990 erfolgte Hyperglobalisierung und auf die damit erzeugte wirtschaftliche sowie soziale Ungleichheit und Unsicherheit zurückzuführen. „Ich behaupte, dass wir in den 1990er Jahren einen Irrweg beschritten haben, als wir uns vom Verständnis der Weltwirtschaft im Sinne von Bretton Woods hin zu einer Auffassung bewegten, die ich als hyperglobalistisch bezeichne.¹¹“ Dieser Irrweg, an dessen Durchsetzung maßgeblich auch die Demokratische Partei in den USA beteiligt war, hat politische Reaktionen hervorgerufen, die als Polanyische Pendelbewegungen nach rechts interpretiert werden können. „Der Aufstieg des Populismus heute ist eindeutig Ausdruck der Doppelbewegung in dem Sinne, dass der Schwerpunkt auf selbstregulierende Märkte und die Entkoppelung der Märkte von politischen Steuerungsmechanismen, die ihnen letztlich Legitimität verleihen, eine politische Reaktion hervorrief. Und das könnte, (…), auch eine reaktionäre Reaktion sein.“¹² Diese Entwicklung wurde stark durch das Versagen der Demokratischen Partei begünstigt, indem diese vor allem seit Bill Clinton die exzessive Globalisierung, den Freihandel und die Finanzialisierung unterstützte, „sodass die Republikanische Partei und namentlich Trump die Demokraten mehr und mehr als eine Partei darstellen konnten, von der die Marktgewinner begünstigt werden.“ ¹³

Nun wird die Wählerbasis der Republikanischen Partei in der Trump-Ära nicht primär von der Arbeiterklasse als Ganzes dominiert: „In den USA haben die typischen Trump-Wähler ein leicht überdurchschnittliches Einkommen und sind zu einem geringeren Anteil arbeitslos als Wähler der Demokraten. Trumps Kernwählerschaft besteht aus den Selbständigen und den Mittelschichtsmilieus. Diesen geht es nicht schlecht, aber sie fürchten sich vor dem Abstieg, leben sie doch zu einem Großteil in abgehängten Gebieten mit schlechter ärztlicher Versorgung.“¹⁴ Dass der Rechtspopulismus seine soziale Basis im Mittelstand findet, ist in der Faschismustheorie keine Unbekannte. Schon in seiner Analyse der sozialen Basis des deutschen Faschismus von 1930 erkannte Theodor Geiger, dass der Rechtspopulismus seine Mitglieder angesichts grassierender Abstiegs- und Zukunftsängste aus der Mitte der Gesellschaft rekrutiert: „Es sind nicht die großen Ströme des Zeitdenkens von denen sich die Mittelstände fortreißen lassen – es sind die Sorgen und Lebensangst, die sie drücken.¹⁵

Trumps Oligarchen

Donald Trump selbst ist zweifelsohne eine schlicht und vulgär denkende Persönlichkeit, der eine theoretische Grundierung ihrer ideologischen Einstellungen fremd ist, aber im Umkreis seiner Berater wurde bereits vor seiner ersten Amtszeit die Notwendigkeit erkannt, seiner Politik eine intellektuelle Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit zu verleihen. Für Steve Bannon und andere im rechten Trump-Lager wurde Peter Thiel als ein Held gefeiert, der durch seine Unterstützung, wesentlich zu Trumps unerwarteten Wahlsieg beigetragen hatte.¹⁶ Bis auf Bill Gates rückten fast alle führenden Hightech-Oligarchen des Silicon Valleys, die fast alle Anteilseigner der weltweit bedeutendsten Digital- bzw. Medienkonzerne sind, entweder schon im Vorfeld oder im Anschluss an den zweiten Wahlsieg Donald Trumps in dessen zweifelhaften Beraterkreis auf und dienten sich als Helfer bzw. Sponsoren an¹⁷. Peter Thiel ( „I no longer believe that freedom and democracy are compatible.“¹⁸) gilt unter den Hightech-Oligarchen als intellektueller Kopf der Hightech-Oligarchen und als Treiber von Reallaboren, in denen die libertäre Vision eines Kapitalismus ohne Staat bzw. ohne Demokratie erkundet wird.¹⁹ Peter Thiel – mittlerweile aber auch andere Mitstreiter aus dem Kreis der Hightech-Oligarchen wie Elon Musk – ist die personifizierte Inkarnation des fließenden Übergangs zwischen libertärer Ideologie und rechtsradikalem Populismus. Peter Thiel („Wettbewerb ist für Verlierer.“²⁰) hält sich auch nicht mit der Fiktion liberalisierter Märkte auf, sondern sieht im Monopol das eigentlich erstrebenswerte Ziel, um maximale Profite realisieren zu können. Der Kampf der Hightech-Oligarchen gegen staatlichen Einfluss und Regulierungen zielt daher auch nicht auf die Rückgewinnung von „Wettbewerbsmärkten“, sondern auf besonders günstige Voraussetzungen für die ungehinderte Durchsetzung ihrer monopolistischen Macht- und Profitstrategien ab. Der aktuelle Konflikt zwischen Donald Trump und Elon Musk zeigt, dass die Allianz zwischen dem Präsidenten und den Tech-Oligarchen durchaus widersprüchlich verlaufen kann, wenn die Interessen Tech-Konzerne und die konkrete Politik des Capitols nicht in Einklang zu bringen sind. Es wird sich zeigen, ob sich derartige Interessengegensätze auf Dauer als Sprengsatz für die gegenwärtige Machtkonstellation erweisen.

3. Ökonomie der Kettensäge

Der Siegeszug des Trumpismus in den USA ist nicht zuletzt auch Ausdruck gravierender geopolitischer Veränderungen in den zurückliegenden Jahrzehnten. Seit dem Untergang der SU sind tektonische Verschiebungen erkennbar, die einen Wandel von einer unilateralen Welt zu einer polyzentrischen Welt hervorrufen. Die USA als ehemals unumstrittener Hegemon im globalen geopolitischen Raum sind im Begriff, ihre weltweite Vorherrschaft als Supermacht zu verlieren, und befinden sich zunehmend in Konfliktstellung zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht VR China, die an die Spitze der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder drängt.²¹

Vor diesem Hintergrund verfolgt Trump eine wirtschaftsnationalistische Politik der volkswirtschaftlichen Revitalisierung („Make America Great Again“) im Rahmen einer Mixtur aus libertären, angebotsorientierten, aber auch staatsinterventionistischen Strategieansätzen. Sein Slogan „America First“ bedeutet innenpolitisch die Priorisierung der Interessen der weißen Mittel- und Arbeiterklasse, die die Kerngruppen seiner eigenen Wählerschaft repräsentieren, und außenpolitisch eine Abkehr von multilateralen Verpflichtungen²², um die volkswirtschaftlichen Ressourcen auf den Konflikt mit China zu konzentrieren.

Deep State

Trump geht es zunächst um die Zurückdrängung staatlicher Macht, um das Phantom eines vermeintlichen „Deep State“ außer Kraft zu setzen, in Wirklichkeit aber um seine eigene autokratische Machtposition zu festigen und auszubauen. Wenn Donald Trump von “Deep State” spricht, meint er damit eine angeblich heimlich operierende Gruppe innerhalb der US-Regierung, eine Art „Staat im Staat“, bestehend aus Bürokraten, Geheimdienstmitarbeitern, Militärs oder anderen Beamten, die großen Einfluss auf Politik und Entscheidungen hätten.²³ Unter der Führung seines Beraters Elon Musk und dessen „Department of Government Efficiency“ (DOGE) hat Präsident Trump in den ersten Wochen seiner Amtszeit den Fokus darauf gelegt, Regierungsbehörden zu zerschlagen. Zehntausende hochrangige Beamte wurden entlassen und durch loyale Anhänger seiner MAGA-Bewegung ersetzt. Ziel dieser Maßnahmen ist es, Trump ein Maximum an Einfluss zu verschaffen und bestehende institutionelle Hürden zu überwinden oder auszuschalten. Der Präsident soll seine Macht als Exekutivorgan uneingeschränkt durchsetzen können – auch gegenüber Justiz und Kongress – um einen grundlegenden politischen Regimewechsel zu ermöglichen.²⁴

Angriff auf die US Wissenschaft

In eine vergleichbare Richtung zielt Trumps Frontalangriff auf die US-Wissenschaft. Es wurden nicht nur die Mittel für die Grundlagenforschung in Bereichen wie Gesundheit, Biowissenschaften und Bildung gekürzt, sondern unter dem Vorwand, den Antisemitismus oder allgemeine Ineffizienzen zu bekämpfen, führende Universitäten des Landes (z.B. Harvard, John Hopkins und Columbia University) willkürlich ausgehungert.²⁵ Diese teilweise völlig irrationale und selbstzerstörerische Politik verfolgt vor allem den Zweck, kritische Stimmen aus dem Wissenschaftsbetrieb mundtot zu machen und auch andere Intellektuelle und Kulturschaffende, die sich gegen die trumpistische Ideologie stellen, einzuschüchtern, eine Strategie, die bislang zumindest zum Teil auch aufgegangen ist. Trumps Regierung streicht die Mittel für die Grundlagenforschung unter anderem auch deshalb, weil er sie in seinem auf Kurzfristigkeit angelegten Nutzenkalkül als ineffizient einstuft. Investitionen in Grundlagenforschung stehen im Widerspruch zu einer auf kurzfristige Erfolge und ökonomische Verwertbarkeit ausgerichteten Politik. Langfristige wissenschaftliche Erkenntnisgewinne, die nicht sofort in wirtschaftliche Vorteile umgewandelt werden können, finden in Trumps Programm kaum Beachtung. Mit dieser Forschungsstrategie beschädigt Trump aber das volkswirtschaftliche Innovationspotenzial und untergräbt damit bislang unumstrittene Stärken der US-amerikanischen Volkswirtschaft. Joseph Stiglitz sieht vor diesem Hintergrund die Gefahr eines „umgekehrten Braindrains“: die Abwanderung amerikanischer Wissenschaftler nach Europa, die u.a. mit dem „Ein-stein-Projekt“ dort eintreffende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit offenen Armen empfängt.²⁶

Neokoloniale Politik

„Ganz unmittelbar will Trump derweil die Kassen seines Landes auffüllen, indem er ukrainische Bodenschätze praktisch beschlagnahmt oder Grönland und Panama annektiert“.²⁷ Trumps Ambitionen zur Abschöpfung externer Ressourcen durch eine Strategie der externen Landnahme zeigen, wie sehr sich die USA in einer neokolonialen Haltung verbarrikadieren, auch wenn sie ihre Hegemonie und die Kontrolle der Welt allmählich verlieren. Trumps neokolonialen Ankündigungen gleichen den verzweifelten Reaktionen von Ertrinkenden, weil er offenkundig über keine schlüssige Strategie verfügt, den Niedergang als führende Wirtschaftsmacht aufzuhalten. „Die USA scheinen orientierungslos, angeführt von einem instabilen und unberechenbaren Präsidenten ohne jegliches demokratische Korrektiv.“²⁸ Diese Konstellation ist hoch gefährlich, weil sie die Wahrscheinlichkeit gewaltförmiger Konfliktaustragungen im internationalen Raum tendenziell erhöht.

Trumps Handelspolitik

Im medialen Fokus steht aktuell die von Trump orchestrierte Handelspolitik, die mit ihren erratischen Ankündigungen massiver Zollerhöhungen gegenüber fast allen Handelspartnern Verwirrung stiftet. Diese Verwirrung ist aber weniger dem zu Irrationalitäten neigenden Charakter Donald Trumps geschuldet als vielmehr Absicht (Unsicherheit als Methode) und damit Teil einer destruktiven Strategie, die multiple Ziele verfolgt. Trump geht es mit seiner Zollpolitik nicht nur um Ziele, die im engeren Sinn ökonomischer Natur sind, wie zusätzliche Einnahmen oder Schutz der heimischen Industrie, sondern um Ziele, die darauf ausgerichtet sind, von seinen Handelspartnern politische Zugeständnisse zu erzwingen, wie z.B. den Abbau regulationspolitischer Einhegungen auf den für die US-Industrie wichtigsten Exportmärkten (z.B. Regulierung des europäischen Digitalmarktes).

Im Fokus der aggressiven Handelspolitik Donald Trumps stehen insbesondere die von ihm zum Teil willkürlich definierten nicht-tarifären Handelshemmnisse (NTBs)²⁹, wie technische Standards, Um-weltauflagen, Mehrwertsteuern, Importquoten, Subventionen und regulatorische Hürden, die aus seiner Sicht als unfaire Handelspraktiken, die US-Exporte angeblich benachteiligen. So werden von ihm viele EU-Regeln als „nichttarifäre Handelshemmnisse“ abgelehnt, wie zum Beispiel den Digital Markets Act für große Internetplattformen, den amerikanische Tech-Konzerne schon lange kritisieren. Mit der jüngsten Androhung von Zöllen von bis zu 50% soll Druck ausgeübt werden, um die Verhandlungsposition der EU zu schwächen, wenn es um die künftige Regulierung des digitalen Raumes geht. Es ist aber zweifelhaft, dass die EU mit ihr über diese Frage, die im Kern nichts mit nicht tarifären Handelshemmnissen zu tun hat, verhandeln lässt.³⁰

Ein zentrales Ziel der Zollpolitik adressiert industriepolitische Strategien, die nicht zuletzt auf einen Kreuzzug gegen die internationale Klimapolitik abstellen. Es geht darum, Exporte für fossile Produktgruppen, wie Öl, Gas, Stahl, Aluminium und Rüstung zu begünstigen, aber auch darum andere Importe zu behindern (Umweltindustrie, regenerative Energien).

Trumps Zollpolitik richtet sich schließlich auch auf den Versuch, das strukturelle Handelsbilanzdefizit der USA zu senken und damit die Tendenz zur Aufwertung des US$ abzubremsen. Ein Handelsbilanzdefizit führt normalerweise zu einer Abwertung der Währung, weil mehr Dollar ins Ausland fließen (für Importe), als durch Exporte zurückkommen. Da die USA bislang für Investoren ausgesprochen attraktiv waren (sichere Staatsanleihen, liquide Kapitalmärkte, innovationsgetriebene Wirtschaft) und laufend Kapitalzuflüsse realisieren konnten, blieb der US-Dollar bis jetzt relativ stark und konnte seine Währungshegemonie ohne Abwertung behaupten. Die USA war daher in der komfortablen Lage, unbegrenzt von billigen ausländischen Waren zu »profitieren«, allerdings um den Preis der Aushöhlung ihrer eigenen industriellen Basis.³¹ Die seit 2010 zu verzeichnende Tendenz zur Aufwertung schwächt aber den Export US-amerikanischer Waren und bremst die heimische Exportindustrie.

Industrie als Wachstumsmotor

Die USA waren in der Vergangenheit Globalisierungsverlierer und mussten daher eine starke Deindustrialisierung ihrer ökonomischen Basis hinnehmen. Die Rekonstruktion der US-amerikanischen Wirtschaft („Make America Great Again“) soll vor allem über eine Reindustrialisierung erfolgen, für die Exportmärkte gesichert werden sollen. Mit der heimischen Industrie als Wachstumsmotor soll auch ein Gegengewicht gegenüber die VR China geschaffen werden, die mittlerweile zur zweitgrößten Volkswirtschaft aufgestiegen ist.³² Die MAGA-Strategie führt daher über eine Zollpolitik, die den Weg für die heimische Exportwirtschaft freiräumen soll.

4. Scheitert der Trumpismus? – Statt einer Schlussbemerkung

Es gibt gute ökonomische Gründe, die Zweifel daran lassen, dass die Trump-Administration ihre Ziele mit ihren bisherigen Strategien und Maßnahmen wird erreichen können. Es ist ein Irrweg zu glauben, dass entfesselte Märkte einen besonders günstigen Nährboden für Innovation und wirtschaftlichen Fortschritt bieten: „Ungezügelte Märkte sind ineffizient, instabil und ausbeuterisch“³³ Flexibilisierte Arbeitsmärkte bremsen den Produktionsfortschritt und damit das Wirtschaftswachstum.³⁴ Statt Deregulierung sind komplexe Ökonomien auf Regulierung angewiesen.³⁵ Der Angriff auf die Universitäten und der Streichung von Forschungsmitteln schwächt die Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaft. Zölle schaden nicht nur die Wirtschaft der Partnerländer, sondern auch die heimische Industrie, vor allem jene, die auf importierte Vorleistungen angewiesen sind³⁷. China und EU werden vermutlich nicht so dumm sein, ihren regulierungspolitischen Ordnungsrahmen angesichts des US-amerikanischen Drucks aufzuweichen und damit den US-Importen freien Lauf zu lassen. Die von Trump artikulierten Gebietsansprüche werden zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen und zum größten Teil nicht realisiert werden können. Trumps Handelspolitik wird die USA ärmer machen und damit die ohnehin grassierende Ungleichheit verstärken. Sozial fragmentierte Volkswirtschaften sind weder nachhaltig noch resilient.³⁸ Eine florierende Ökonomie ist auf Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und öffentliche Infrastruktur sowie stabile und freundschaftliche Beziehungen zu gleichgesinnten Ländern angewiesen.³⁹ Diese öffentlichen Güter werden von Trumps Politik offensichtlich beschädigt, wenn nicht gar zerstört. Der Trumpismus erzeugt mit seinen erratischen Manövern eine permanente Unsicherheit, die für das wirtschaftliche Umfeld absolut kontraproduktiv ist.⁴⁰ Summa summarum spricht nicht viel dafür, dass der trumpistische Nationalkapitalismus in der Lage sein wird, eine neue Prosperitätskonstellation in den USA zu etablieren. Die USA wird unter Donald Trump ihre Vormachtstellung verlieren. Damit wächst der Druck auf Europa, einen eigenen Weg zu finden und sich in der neu entstehenden geopolitischen Konstellation zu behaupten.⁴¹

¹ Hübner (2025): Baby light my Fire. The EU as a weak trade negotiator, https://kurthuebner.substack.com/p/baby-light-my-fire
² Pistor, K. (2025): Das Recht der Stärkeren, in: surplus 2/2025, S.4
³ Michaels, J.D. (2024): Trumps tiefer Staat. Wie das »Project 2025« den autoritären Umbau plant. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2024, S. 65 – 72
⁴ Habermas, J. (2025): Für Europa, in Süddeutsche Zeitung vom 21.03.2025
Ebenda
Ebenda
Nativismus: Nativismus (betontes Festhalten an bestimmten Elementen der eigenen Kultur infolge ihre Bedrohung durch eine überlegene fremde Kultur)
Slobodian (2025): Hayeks Bastards. The Neoliberal Roots oft the Populist Right, London
Rodrik (2022): Der Irrweg der Globalisierung, in: Randeria (Hrsg.) (2022): Kapitalismus im 21. Jahrhundert, Wien, S.46
¹⁰ Stiglitz (2025): Der Weg zur Freiheit. Ökonomie für eine gerechte Gesellschaft, München. 390
¹¹ Rodrik (2022): Der Irrweg …, a.a.O., S.36
¹²
Ebenda, S.38, vgl. Ther , Ph. (2021): Das andere Ende der Geschichte. Über die große Transformation, Berlin, S. 1 65 ff.
¹³
Piketty, Th., Sandel, M.J. (2025): Die Kämpfe der Zukunft. Gleichheit und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert, München, S.52
¹⁴
Reichardt, S. (2025): Neuerfindung des Faschismus, FAZ 20.04.2025, vgl. auch: Acemoglu: Niedergang und Auf-stieg der amerikanischen Demokratie, project syndicate, 03.12.2024, https://www.project-syndicate.org/commentary/what-democrats-must-do-after-trump-2024-election-by-daron-acemoglu-2024-12
¹⁵
Geiger, Th. (1930): Panik im Mittelstand, Geiger, Th. (1930): Panik im Mittelstand, in: Die Arbeit, Zeitschrift für Gewerkschaftspolitik und Wirtschaftskunde, 10/1930,S.648, https://library.fes.de/arbeit/pdf/1930/193010.pdf
¹⁶ Chafkin (2021): Peter Thiel. Wie der Pate des Silicon Valley die Welt beherrscht, München, S. 9
¹⁷ Zur Wahlkampffinanzierung siehe Solty (2025): Trumps Triumph? Gespaltene Staaten von Amerika, autoritärer Staatsumbau, neue Blockkonfrontation, Hamburg, S. 28 ff.
¹⁸ Thiel (2009): Education of a Libertarian, https://www.cato-unbound.org/2009/04/13/peter-thiel/education-libertarian/
¹⁹ Slobodian (2024): Kapitalismus ohne Demokratie. Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen, Berlin
²⁰ Thiel (2014): Zero to One. Wie Innovation unsere Gesellschaft rettet, Frankfurt a. Main, S. 39 ff.
²¹ Stanzel (2025): Make China great again. Trump und der Systemkonflikt zwischen den USA und China. In: APuZ, MAGA, Nr. 20/2025, Zeitschrift der Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 41, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/maga-2025/, vgl. auch Gordon (2026): The Rise and Fall of American Growth. The U.S. Standard Of Living Since The Civil War, Princeton and Oxfort
²² z. B. Pariser Klimaabkommen, Ukraine-Unterstützung, NATO, WHO, UNAIDS, USAID
²³ Michaels (2024): Trumps tiefer Staat…, a.a.O. S. 65 ff.
²⁴ Puglierin (2025): Noch Alliierte oder schon Gegner. Europas schwieriger Balanceakt im Zeitalter von Trump 2.0, in: APuZ 20/2025, MAGA, Zeitschrift der Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 39
²⁵ Rodrik (2025): Gegen Trump: Wann erheben US-Wirtschaft und Wissenschaft ihre Stimmen?, in: Surplus Magazin vom 31.03.2025, https://www.surplusmagazin.de/trump-usa-wirtschaft/
²⁶ HAZ (2025): Der Feind der freien Wissenschaft, HAZ vom 26.05.2025, siehe auch: https://www.deutschlandfunk.de/wissenschaft-forschung-usa-trump-zensur-stellenabbau-verbote-100.html
²⁷ Piketty (2025): Trump ist ein verhinderter Kolonialherrscher, in: Surplus Magazin, 17.04, 2025, https://www.surplusmagazin.de/usa-zoelle-trump-piketty/
²⁸ Ebenda
²⁹ Als nicht tarifäre Handelshemmnisse werden üblicherweise alle Arten von Handelshemmnissen, die nicht die Form von tarifären Handelshemmnissen haben wie z.B. technische Vorschriften, industrielles Sicherheitsrecht, Lebensmittelrecht, Arzneimittelrecht, Zulassungsbedingungen Für KfZ u.a. staatliche Maßnahmen.
³⁰ Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament vertritt die Auffassung, dass die EU über ihr Regulierungssystem nicht verhandeln wird., vgl. dazu: HAZ (2025) Handelsexperte: „Ich fürchte erst einmal Eskalation. HAZ vom 09.05.2025)
³¹ Blyth (2025): Trump, Tariffs, and the Fate of the Dollar, pproject syndicate, Apr 4, 2025, https://www.project-syndicate.org/commentary/trump-tariffs-global-economic-reordering-by-mark-blyth-2025-04
³² Nach Kaufkraftparitäten ist sie bereits die weltweit größte Ökonomie
³³ Stiglitz (2025): a.a.O, S. 74, 93
³⁴ Kleinknecht (2024):Deregulierung von Arbeitsmärkten als Innovationsbreme, in: Zeitschrift für Sozialistische Wirtschaft und Politik (SPW), 4/2024; S. 29 ff.
³⁵ Rodrik (2011): Das Globalisierungsparadoxon. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft, München S. 41
³⁶ Rodrik (2025): Gegen Trump …, a.a.O
³⁷ Rodrik (2025): What Tariffs can and can´t do, https://www.project-syndicate.org/commentary/trump-has-wrong-concept-of-tariffs-by-dani-rodrik-2025-01
³⁸ Stiglitz (2012) Der Preis der Ungleichheit. Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht, München
³⁹ Rodrik (2025): Gegen Trump …, a.a.O.
⁰ Ebenda
¹ Piketty (2025): Piketty: Trumps Nationalkapitalismus wird scheitern, in: Surplus Magazin, 27.02.2025

2025-09-14T22:06:57+02:00
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