Online Special
Umgang mit Schutz- und Arbeitssuchenden
#meinung #debatte #spw
von Franziska Drohsel
Auch wenn die Zeichen gegenwärtig anders stehen, wäre es meine große Hoffnung, dass die SPD auf diesem Bundesparteitag die Menschenwürde in den Mittelpunkt steht. Die Menschenwürde ist unantastbar, so heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes. Die gegenwärtige Politik vermittelt derzeit leider einen anderen Eindruck.
Umgang mit Schutzsuchenden
In einer Zeit, in der Rassismus und rechte Hetze keine Seltenheit sind, setzt der Koalitionsvertrag keinen Kontrapunkt und kein Zeichen für Solidarität und Mitmenschlichkeit. Im Gegenteil. Legale Fluchtwege wie zum Beispiel über humanitäre Aufnahmeprogramme oder der Familiennachzug sollen massiv eingeschränkt werden. Menschen werden direkt an der Grenze zurückgewiesen. Ein Vorgehen, das gegen das Europarecht verstößt. Gerichtlich ist diesem Tun auch bereits der Riegel vorgeschoben worden. Es ist ein Armutszeugnis, wenn es nicht mehr die SPD ist, die an Mitmenschlichkeit und an das Einhalten von gesetzlichen Vorgaben erinnert, sondern es Gerichte sind, die dieses Mindestmaß an Humanität verteidigen müssen. Es wäre an der Zeit, dass die SPD der derzeitigen Hetze und Stimmungsmache selbstbewusst entgegentritt und daran erinnert, dass das Asylrecht eine Lehre aus dem Nationalsozialismus ist. Die Menschenwürde in Artikel 1 macht an zentraler Stelle deutlich, dass die Menschenwürde aller Menschen unabhängig von ihrer Herkunft unantastbar ist. Dies muss folglich auch immer für Menschen, die Schutz suchen und die auf der Flucht sind, gelten.
Umgang mit Arbeitssuchenden
Im Koalitionsvertrag heißt es, dass Menschen, die arbeiten können und eine zumutbare Arbeit wiederholt nicht annehmen, vollständig die Leistung entzogen wird. Es könnte bereits über den Begriff der Zumutbarkeit diskutiert werden, aber dass die Koalition eine solche Sanktionsmöglichkeit wieder ins Spiel bringt, erscheint äußerst problematisch. Nach dem Bundesverfassungsgericht entspringt aus dem Gebot der Menschenwürde und dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes ein Anspruch auf eine menschenwürdige Existenzsicherung. Ein vollständiger Entzug wird diesem Anspruch nicht gerecht. Erst am Montag hat der Verein Sanktionsfrei zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung eine Studie vorgelegt, in der deutlich wird, dass das Leben mit Bürgergeld gegenwärtig von Verzicht, Ausgrenzung und Unsicherheit gekennzeichnet ist. Eltern verzichten für ihre Kinder auf Essen, viele schämen sich und wollen arbeiten, aber finden keine existenzsichernde Arbeit. Was dies für Menschen mit einer vollständigen Sanktion heißt, liegt auf der Hand. Die Sanktionsdebatte geht in die falsche Richtung, schürt Ressentiments und hilft Menschen in Arbeitslosigkeit nicht weiter.
Es bleibt zu hoffen, dass die SPD sich besinnt und die Menschenwürde wieder in die Mitte ihres Tuns stellt. Ein guter Anfang wäre, Diskurse der Ausgrenzung gegen geflüchtete Menschen oder gegen Menschen in Arbeitslosigkeit nicht mehr mitzumachen, sondern einen solidarischen und menschlichen Kontrapunkt zu setzen: Für die Menschenwürde.